Produktive Arbeit

Produktive Arbeit

Kapitalismus ist Wertverwertung. Ohne Wertproduktion kann kein Wert verwertet werden. Die Frage ist, welche Arbeit produziert Wert und welche nicht. Vor allem in Bezug auf Wissen und Software besteht hier grobe Uneinigkeit.

Linksammlung

Im November 2000 entspann sich zu diesem Artikel eine Diskussion auf oekonux1

Ralf Krämer zu bemerkt zu diesem Artikel von Christian Fuchs (2000-11-13, Oekonux):

»Die WissenschaftlerInnen schaffen dann keinen auf dem Markt relvanten Wert, wenn sie wirklich "allgemeine Arbeit" leisten, das ist nach meinem Verständnis bei sinnvoller Interpretation von Marx aber (nur) dann der Fall, wenn sie nicht als Lohnarbeit für das Kapital verrichtet worden ist (wie etwa in kapitalistischen Forschungsabteilungen oder Software-Buden), sondern etwa in öffentlichen Hochschulen oder Wissenschaftseinrichtungen oder von sozusagen freischaffenden WissenschaftlerInnen und die Ergebnisse kostenlos der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Das waren die Fälle, die Marx zugrundelegte, und wenn das nicht der Fall ist, die Ergebnisse also nicht frei zugänglich sind, gilt das meiste, was Marx darüber sagte, nicht.«2

Hans-Gert Gräbe versucht, dies zu widerlegen (2000-11-20), indem er Marx' Beschäftigung mit dem Thema rekapituliert:

»Eine auf den ersten Blick logische Einbeziehung [des Wissens in das ökonomische Modell des Kapitalismus, CP] als "capital fixe" wird von ihm [Marx, CP] aber dann verworfen, weil sich die "Erstellung" von Wissen generell nicht mit einem Arbeitszeitmaß messen lässt: "In dieser Umwandlung (des angewendeten Wissens in einen Teil des Produkts, HGG) ist es weder die unmittelbare Arbeit, die der Mensch selbst verrichtet, noch die Zeit, die er arbeitet, sondern die Aneignung seiner eignen allgemeinen Produktivkraft, sein Verständnis der Natur und die Beherrschung derselben durch sein Dasein als Gesellschaftskörper – in einem Wort die Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums, die als der große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums erscheint." Wissen in diesem Sinne ist also Infrastruktur, in die produktive Aktivität eingebettet ist.«3

Dazu wäre anzumerken, daß

  1. Infrastruktur nur dann Infrastruktur ist, wenn sie keine Ware ist. Denn solange Infrastruktur stückchenweise gehandelt wird, solange ist nicht die Produktion in sie eingebettet, sondern ihre Produktion ist in den kapitalistischen Verwertungskreislauf eingebettet.
  2. die Erstellung von Wissen in der Praxis durchaus nach einem Arbeitszeitmaß gemessen wird: natürlich nicht die des gesamten Wissens, aber des Wissens, welches als Ware vermarktet werden oder zur Erlangung eines Konkurrenzvorteils dienen soll. Oder?

HGG geht letztlich überhaupt nicht auf das Argument von RK ein.

200309

Neu entsponnen hat sich die Diskussion (2003-09) beginnend mit einer mail von Stefan Mz und Stefan Mn.

Daß es hierbei nicht nur um die Werthaltigkeit von Software geht, darin sind sich alle einig:

»… die Entwicklungskosten [sind] inzwischen [in der gesamten Produktion] riesig und [können] nur noch schwer auf die daraus rührenden Produkte umgelegt werden…. Bei Speicherchips war es z.B. lange so. Aber auch bei der Vorstellung des neuen VW Golf wurde wieder auf diesen Sachverhalt hingewiesen.« (Stefan Mn, 2003-08-31)

Ursprung des Werts

Holger Weiß wirft die Frage nach nach dem Kriterium von Werthaltigkeit konkret auf:

»Softwareproduktion erfordert genau wie "Hardwareproduktion" gesellschaftlich notwendige Arbeit. Warum sollte das hier nicht das entscheidende Kriterium sein?« (Holger Weiß, 2003-09-12)

Die Frage nach dem entscheidenden Kriterium versucht er aber auf die Ebene der "einfachen Warenproduktion" zu beschränken:

»Die Frage ist einfach: "Handelt es sich bei (einem bestimmten) Wissen um eine Ware?", sie bewegt sich also auf der Ebene der einfachen Warenproduktion.« (Holger Weiß, 2003-09-14)

Wert wird also als Charakteristik von Ware schlechthin verstanden. Dies führt jedoch zu einem Problem, denn genauso wie er feststellt:

»Kein Produkt hat an sich einen Wert…« (ebd.)

– genauso muß man festhalten:

»Natürlich hat "kein Produkt... an sich einen Wert". An sich gibt es nämlich auch kein Produkt. Ein Produkt gibt es nur in einem Zusammenhang, nämlich in dem Zusammenhang, daß es jemand herstellt. Aber aus einem Herstellungszusammenhang an-sich heraus wird ein Produkt nicht zur Ware. Der Herstellungszusammenhang wird zur Warenproduktion, wenn er selbst in einem ihm übergeordneten Warenzusammenhang (Wirtschaft mit Handel) stattfindet. Der Ware eignet aber Wertsubstanz erst dann, wenn sie in einem der Warenproduktion hinwiederum übergeordneten Verwertungszusammenhang produziert wird.« (Casimir Purzelbaum, 2003-09-14)

Daß eine solche Feststellung bei weitem nicht so banal ist, wie es möglicherweise auf den ersten Blick scheint, wird vielleicht bei der Betrachtung von Gegenständen, die als "ganz normale Waren" gelten können, deutlich:

Eine Birne ist an sich kein Produkt, sondern nur, wenn sie (durch Menschen) angebaut wird. Zur Ware wird die Birne, wenn sie verkauft werden soll (selbst wenn sie nicht angebaut wurde!). Die einfache Warenproduktion unterscheidet sich nun von der … Warenproduktion, daß sie nicht auf einem geschlossenen Verwertungskreislauf beruht. Wertsubstanz "enthält" die Birne aber nur, wenn sie und ihresgleichen hauptsächlich zum Zwecke des Verkaufs als Ware angebaut wird, wenn also die Warenproduktion zum vorherrschenden Prinzip des Wirtschaftens wird.

Siehe auch Diskussionen des Begriffs EinfacheWarenproduktion.

Übertragbarkeit des Werts

In der bereits erwähnten mail kommt (nicht zum erstenmal) die Erwägung zum Ausdruck, daß Software nicht wie eine Maschine im Produktionsprozeß betrachtet werden könne (also "capital fixe"). Dieser Einwand stützt sich auf den vermeintlichen Zusammenhang zwischen Wertübertragung und Verschleiß:

»Problem ist halt das nie verschleißend. Wenn es wirklich um eine Übertragung geht, dann muss da auch was weniger werden. Ansonsten ist es eine nicht versiegende Quelle von Reichtum. Was ja plausibel klingt.«

Das Problem ist also rechnerischer Natur: da Software physisch nicht verschleißt, kann sie unendlich oft in den Produktionsprozeß einfließen: Wenn sie also Wert hätte, welcher also in der Produktion auf die Produkte übertragen würde, dann wäre die übertragene Größe im Einzelfall infinitesimal klein:

(produzierte Menge) ÷ (produzierbare Menge) = x ÷ ∞ → 0

Aber wäre es überhaupt ein schlüssiges Argument, daß ein Produktionsmittel keinen Wert habe, weil kein Wert in hypothetisch rechnerischer Weise übertragen kann?!

Realisierung des Werts


[1] http://www.oekonux.de/

[2] http://www.oekonux.de/liste/archive/msg01296.html

[3] http://www.oekonux.de/liste/archive/msg01392.html