Definition Interesse

Was ist ein Interesse?

Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785)

«Interesse ist das, wodurch Vernunft praktisch, d. i. eine den Willen bestimmende Ursache, wird. Daher sagt man nur von einem vernünftigen Wesen, daß es woran ein Interesse nehme, vernunftlose Geschöpfe fühlen nur sinnliche Antriebe. Ein unmittelbares Interesse nimmt die Vernunft nur alsdann an der Handlung, wenn die Allgemeingültigkeit der Maxime derselben ein gnugsamer Bestimmungsgrund des Willens ist. Ein solches Interesse ist allein rein. Wenn sie aber den Willen nur vermittelst eines anderen Objects des Begehrens, oder unter Voraussetzung eines besonderen Gefühls des Subjects bestimmen kann, so nimmt die Vernunft nur ein mittelbares Interesse an der Handlung, und da Vernunft für sich allein weder Objecte des Willens, noch ein besonderes ihm zu Grunde liegendes Gefühl ohne Erfahrung ausfindig machen kann, so würde das letztere Interesse nur empirisch und kein reines Vernunftinteresse sein. Das logische Interesse der Vernunft (ihre Einsichten zu befördern) ist niemals unmittelbar, sondern setzt Absichten ihres Gebrauchs voraus.»

zitiert nach: Rescogitans Philosophical Library (http://www.rescogitans.it/ita/Biblioteca/003/003NOTE/A18.htm)

Wörterbuch der Marxistisch-Leninistischen Philosophie (1986)

« Interesse: im psychologischen Sinne die Gerichtetheit der Persönlichkeit auf bestimmte Objekte, Vorgänge, Tätigkeiten, Ziele usw., die sich in einem positiven emotionalen Verhältnis und der Konzentration der Aufmerksamkeit gegenüber diesen Objekten, Vorgängen, Tätigkeiten, Zielen usw. äußert.

Genetisch aus dem Orientierungsreflex der höheren Tiere hervorgegangen, ist das I. eine spezifisch menschliche Fähigkeit, die eng mit der Arbeitstätigkeit undd der Erkenntnistätigkeit verbunden ist. Das I. spielt eine große Rolle in der gesamten menschlichen Tätigkeit, da es die motivierende Kraft der Objekte und Ziele der Tätigkeit ausdrückt. Von besonderer Bedeutung für alle Formen der geistigen Tätigkeit ist das Erkenntnis-I. Eine entwickelte Persönlichkeit zeichnet sich durch Reichtum und Vielfalt der I. aus.

Die I. einer Persönlichkeit sind stets gesellschaftlich bedingt (→ gesellschaftliche Interessen).»

(aus dem Wörterbuch der Marxistisch-Leninistischen Philosophie von Alfred Kosing (Dietz Verlag 1986, Berlin), S. 258 f.)

« gesellschaftliche Interessen: Gesamtheit der durch die materiellen gesellschaftlichn Existenzbedingungen, besonders die → Produktionsverhältnisse, bestimmten und geprägten Erfordernisse und Bestrebungen der Menschen (Klassen, Gruppen, Individuen) einer ökonomischen Gesellschaftsformation, welche die Richtung ihrer gesamten gesellschaftlichen Tätigkeit und ihre Zielsetzungen bestimmen, indem sie zu → Triebkräften und Motiven des Handelns werden.

Die g. I. sind ihrem Ursprung und ihrem Inhalt nach objektiv bestimmt, da sie mit Notwendigkeit aus den jeweiligen materiellen Lebensbedingungen hervorgehen; sie sind zugleich auch subjektiv geprägt, da sie den Menschen als Bedürfnisse, Absichten, Wünsche, Zielvorstellungen bewußt werden müssen und somit durch ihr gesellschaftliches Bewußtsein, ihre Erfahrung und ihr Wissen vermittelt werden. In diesem Sinne sind g. I. eine Einheit von Objektivem und Subjektivem, weil sie aus der Wechselwirkung der Menschen mit ihren materiellen Lebensbedingungen hervorgehen. Hieraus folgt, daß Klassen, Grupen und Individuen unter bestimmten Umständen ein unzureichendes oder gar ein falsches Bewußtsein von ihren objektiven Interessen haben können, daß ein Widerspruch zwischen der objektiven und der subjektiven Seite ihrer Interessen entsteht und sie gegen ihre eigenen Interessen handeln. So versucht in der kapitalistischen Gesellschaft die Bourgeoisie, mit allen Mitteln der ideologischen Beeinflussung die Arbeitklasse daran zu hindern, ihre wirklichen Interessen zu erkennen, und suggeriert ihr die eigenen, bürgerlichen Interessen, um sie ideologisch an die kapitalistische Macht zu binden. Eine der wichtigsten Aufgaben der marxistische-leninistischen Partei besteht ideshalb darin, der Arbeiterklasse ein richtiges, wissenschaftlich begründetes Bewußtsein von ihren grundlegenden Interessen zu vermitteln und sie zu befähigen, diesee Interessen erfolgreich durchzusetzen.

Die g. I. spielen eine grundlegende Rolle in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Sie wirken als → Triebkräfte des geschichtlichen Handelns der Menschen, da sie die Vermittlung zwischen den materiellen Existenzbedingungen der Menschen, insbesondere den Produktionsverhältnissen, und ihrer praktischen Tätigkeit bilden. »Die ökonomischen Verhältnisse einer Gesellschaft stellen sich zunächst dar als Interessen.« (MEW, 18, 274)

Besitzen die Produktionsverhältnisse antagonistischen Charakter, wie in allen Formationen der auf dem Privateigentum beruhenden → Klassengesellschaften, dann haben auch die Interessen einen Klasseninhalt, und es handelt sich um → Klasseninteressen. Die Interessen der Grundklassen einer antagonistischen Gesellschaft stehen im Verhältnis eines feindlichen, unüberbrückbaren Gegensatzes zueinander, der im → Klassenkampf ausgetragen wird und nur mit dem Sieg der einen und der Niederlage der anderen Klasse beendet werden kann.

Die grundlegenden Interessen der Menschen (Klassen, Gruppen, Individuen) sind ihre materiellen Interessen; sie erwachsen unmittelbar aus den ökonomischen Verhältnissen und beziehen sich auf die materiellen Lebensbedingungen der Menschen (Arbeits- und Lebensbedingungen, Reproduktion der Arbeitskraft, soziale Verhältnisse, Entwicklungsmöglichkeiten der Persönlichkeit). Hierzu zählen nicht nur ökonomische Interessen, sondern auch politische, die sich auf die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse und ihre künftige Entwicklung beziehen.

Die ideellen Interessen der Menschen (Klassen, Gruppen, Individuen) erwachsen letzten Endes ebenfalls aus den ökonomischen Verhältnissen, sie sind jedoch vielfach vermittelt durch die ökonomischen und politischen Interessen, durch den Bildungsstand, die Traditionen und Lebensgewohnheiten. Sie beziehen sich auf die Bedingungen des geistigen Lebens und der kulturellen Entwicklung der Menschen (Bildung, Wissenschaft, Kunst, Moral, Entfaltung der geistigfen Schöpferkraft der Persönlichkeit).

Die Gesamtheit der g. I. der Menschen einer Gesellschaftsformation untergliedert sich in gesamtgesellschaftliche Interessen, Klasseninteressen, Gruppeninteressen und individuelle (persönliche) Interessen, die sich wechselseitig durchdringen, beeinflussen und in dieser Wechselwirkung das Handeln der Menschen bestimmen. Für die antagonistische Klassengesellschaft ist charakteristisch, daß je nach den Klassenbeziehungen Übereinstimmung, Widersprüche und Antagonismen zwischen den verschiedenen Interessen bestehen. Erst nach dem Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse, nachdem die Herausbildung einer politisch-moralischen Einheit aller Klassen und schichten unter Führung der Arbeiterklasse beginnt, kann sich eine wachsende Übereinstimmung der grundlegenden Interessen der sozialistischen Gesellschaft, der Klassen und Guppen und auch der Individuen herausbilden (→ politisch-moralische Einheit des Volkes). Diese grundlegenden materiellen und ideellen Interessen beziehen sich vor allem auf die weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, die damit verbundene Verbesserung des materiellen und geistig-kulturellen Lebens aller Klassen und Schichten, die wachsenden Möglichkeiten für die möglichst allseitige Entwicklung der Persönlichkeit. Die objektive Grundlage dieser Übereinstimmung, insbesondere der gesamtgesellschaftlichen und der individuellen Grundinteressen, ist das sozialistische Eigentum an den Produktinosmitteln. Die Übereinstimmung in den grundlegenden Interessen schließt jedoch die Entwicklung von → Widersprüchen zwischen den Interessen der Gesamtgesellschaft, Gruppen und Individuen keineswegs aus. Das folgt einerseits aus den noch unterschiedlichen materiellen Existenzbedingungen der Klassen, Schichten, Gruppen und Individuen sowie ihrer unterschiedlichen Bewußtseinsentwicklung, andererseits aus der Vielfalt und dem Reichtum von Interessen, die aus den sozialistischen Produktionsverhältnissen erwachsen. Hieraus entstehen auch ständig Widersprüche zwischen den Interessen und den Möglichkeiten, sie voll zu realisieren. Die Widersprüche zwischen gesamtgesellschaftlichen, kollektiven und individuellen Interessen wirken im Sozialismus als Triebkraft der Entwicklung. Eine wichtige Aufgabe der Leitung und Planung der gesellschaftlichen Entwicklung besteht darin, die Übereinstimmung der grundlegendsten Interessen der Gesamtgesellschaft, der Klassen, Schichte, Guppen und Individuen zu festigen und die Widersprüce zwischen den Interessen so zu bewegen und nach Maßgabe der ökonomischen Möglichkeiten jeweils so zu lösen, daß keine sozialen Konflikte entstehen, die soziale Stabilität der sozialistischen Gesellschaft wächst und ihre Entwicklung beschleunigt wird. → Interessen»

(aus dem Wörterbuch der Marxistisch-Leninistischen Philosophie von Alfred Kosing (Dietz Verlag 1986, Berlin), S. 206 ff.)

Interessen-Kalauer auf www.sprachkritik.de

http://www.sprachkritik.de/drop/interess.html

«036 Alle Gedanken und Handlungen haben das Interesse zum gemeinsamen Fundament.»

«056 Das Interesse leitet Handeln wie Denken und lenkt die Aufmerksamkeit.»

076 "Alles in allem ist das Interesse stets konservativ, nur das Ideal ist revolutionär."

086 Die Wahrnehmung wird vom Interesse gelenkt.

089 Information ist immer mehr oder weniger durch die Interessenlage entstellt. Es gibt überhaupt keine Information, die nicht durch Interessen bestimmt ist.

090 Irrationale Leidenschaften zwingen den Menschen seinen wahren eigenen Interessen zuwiderzuhandeln.

Interesse im Sinne der Lernmotivation

«Bei Interesse wird generell von einer vorhandenen Person-Objekt-Relation ausgegangen, die sich durch wiederholte Gegenstandsauseinandersetzungen entwickelt hat und bestimmte spezifische Merkmale (Kognition, Emotion und Wert) erfüllt (vgl. Prenzel 1988).»

Exposé zum Workshop Interesse/Desinteresse, Arbeitstreffen zur inhaltlichen und begrifflichen Abstimmung von "Desinteresse" und "Abneigung". (http://www.ipn.uni-kiel.de/projekte/biqua/WorksDesIn.htm)

Persönlichkeitspsychologie

Interesse — Entwicklung

« Entwicklung persönlicher Interessen: Interessantheit einer Situation ⇒ zielbewußte Auseinandersetzung situationales Interesse ⇒ optimale Befriedigung grundl. psych. Bedürfnisse¹ u. spätere selbständige Beschäftigung dispositionelles ( ind.) Interesse²
¹ Sog. basic needs: Kompetenz, Selbstbestimmung und soziale Eingebundenheit (siehe 17.05.99; 2.3.)
² hier als Resultat eines Internalisierungsprozesses; ist dieses Interesse in das Dispositionsgefüge aufgenommen, ist dies selbst wieder Ausgangspunkt für Interessenhandlungen
»

Entwicklungsstufen nach Nagy (1912):

  1. sinnliches Interesse (1./2. Leb.j.)
  2. subjektives Interesse (3.-7. L.j.)
  3. objektives Interesse (7.-10. L.j.)
  4. stetes Interesse (11.-15. L.j.)
  5. logisches Interesse

Grundstudium - Allgemeine Psychologie I (Seminar): Interesse, durchgeführt von Dr. Phil. J. Grabowski, Zusammenfassender Schlußüberblick, Mark Bogenstahl/Liborio Ciccarello, handout


Siehe auch