Quelle: http://www.uni-bielefeld.de/philosophie/personen/carrier/LavoisLeit.doc konvertiert mit antiword. 2003-04-04
1.1.1.1.1 Antoine L. Lavoisier und die Chemische Revolution
1.1.1.1.2 Martin Carrier
1.1.1.1.3 1. Lavoisier und die Entwicklung der Chemie
Antoine Laurent Lavoisier (1743-1794) ist der Urheber der Chemischen Revolution. Unter dem Einfluss seines Werks hat sich die Chemie der inhaltlichen Beschaffenheit und dem methodischen Zugang nach grundlegend gewandelt. Lavoisiers Arbeiten erschlie�en sich vergleichsweise leicht dem heutigen Leser, w�hrend die Abhandlungen der alten Chemie ohne langwierige Erl�uterungen kaum zug�nglich sind. Von der Antike an bildeten die sog. Prinzipien den Angelpunkt chemischen Denkens. Prinzipien sind Tr�ger allgemeiner Eigenschaften wie Festigkeit, Fl�chtigkeit oder Brennbarkeit. Die Eigenschaften von Stoffen verweisen darauf, welche Prinzipien in ihnen enthalten sind.1 Bei chemischen Umwandlungsprozessen werden Prinzipien �bertragen und ausgetauscht, woraus sich die �nderung der stofflichen Qualit�ten der beteiligten Substanzen erkl�rt. Eine der nachhaltigen Wirkungen der Chemischen Revolution bestand in der Abschaffung der Prinzipien.2
Lavoisiers Elementare Abhandlung der Chemie (1789) liest sich nach Anlage und Darstellung wie ein etwas veralteter Vorg�nger eines modernen Lehrbuchs. Es werden chemische Elemente vorgestellt, sowie deren Reaktionen und Verbindungen. Analysen und Synthesen werden in systematischem Zusammenhang und in vertrauter Begrifflichkeit pr�sentiert. In der alten Chemie werden dagegen in einer retrospektiv verwirrenden Weise Stoffe und Eigenschaften miteinander vermengt. Es ist zum Beispiel aus dem Kontext zu erschlie�en, ob der Ausdruck "Quecksilber" die betreffende chemische Substanz oder das gleichnamige Prinzip, also die Eigenschaft der Fl�chtigkeit bezeichnet und entsprechend auf ganz andere Substanzen Anwendung findet. Zwar haben sp�tere Einsichten nicht selten Lavoisiers Theorie korrigiert, aber in Begrifflichkeit und Zugangsweise hat sie die Chemie bis in die Gegenwart hinein gepr�gt.
Inhaltlich besteht Lavoisiers bekannteste Leistung in der Formulierung der Oxidationstheorie der Verbrennung. Danach stellt sich dieser Prozess als Verbindung zwischen dem brennenden Material und dem Sauerstoff der Luft dar. Diese Lehre ersetzte die von Georg Ernst Stahl (1660-1734) um 1700 formulierte Phlogistontheorie, die als eine Spielart der Prinzipienchemie das Prinzip der Brennbarkeit, eben das Phlogiston, ins Zentrum r�ckte. Nach dieser herk�mmlichen Vorstellung ist Verbrennung Zerlegung: bei der Verbrennung entweicht Phlogiston aus dem betreffenden K�rper, und es bleibt unbrennbare Asche zur�ck. Feuer und Flamme f�hren schlie�lich zweifelsfrei vor Augen, da� etwas den brennenden K�rper verl��t. Bei Stahl ist das Phlogiston ein "irdisches Prinzip", also eine Unterform des Elements Erde; es ist nicht frei darstellbar, aber in �lig-fettigen Stoffen ebenso wie in Holzkohle und Ru� in besonders starkem Ma� enthalten.
Charakteristisch f�r die Phlogistontheorie ist eine Universalit�tsbehauptung des Inhalts, da� s�mtliche Verbrennungsprozesse und �berdies die sog. Kalzination von Metallen, d.h. deren R�sten zu Metallkalken (ihre "Oxidation" in modernen Begriffen), als Phlogistonabgabe aufzufassen sind. Nicht allein brennbare Stoffe, auch Metalle weisen s�mtlich einen Anteil Phlogiston auf. F�r Stahl ist demnach die Kalzination von Blei zu Bleigl�tte (PbO) chemisch von gleicher Art wie die Verbrennung von Holzkohle. Da� es sich in beiden F�lle um das gleiche Prinzip handelt, zeigt sich darin, da� Bleigl�tte durch Gl�hen mit Holzkohle wieder in Blei verwandelt werden kann. Dabei wird offenbar das durch die Verbrennung aus der Holzkohle ausgetriebene Phlogiston vom Bleikalk aufgenommen und transformiert dieses in das zugeh�rige Metall. Der Verbrennung von Nichtmetallen und der Kalzination von Metallen liegt daher einheitlich die Freisetzung von Phlogiston zugrunde.
Seine gegenteilige Ansicht wird f�r Lavoisier zum Kristallisationskeim einer fundamentalen Umorientierung der Chemie. Lavoisier beschr�nkt sich dabei keineswegs auf eine neue Auffassung der Verbrennung, sondern schl�gt auch eine neuartige Theorie der S�uren vor, derzufolge Sauerstoff wesentlicher und gemeinsamer Bestandteil aller S�uren ist (woran die Bezeichnung bis zum heutigen Tag erinnert). Daneben tritt bei Lavoisier die Ansicht, da� Wasser eine Verbindung von Wasserstoff und Sauerstoff ist und damit (wie zuvor schon die Luft) seine �berlieferte Stellung als elementarer Grundstoff verliert. Endlich geht es Lavoisier um die W�rmestofftheorie, derzufolge W�rme eine unw�gbare, unzerst�rbare Substanz ist, die Verbindungen mit gew�hnlichen Stoffen eingehen kann.
Man sieht, Lavoisier hatte nicht in allem recht. Aber Wahrheit ist ein schwer greifbares Gut. Wissenschaftlicher Erfolg wird eher daran gemessen, da� eine Theorie einer gro�en Zahl von Befunden auf pr�zise Weise und in einem einheitlichen Begriffsrahmen Rechnung zu tragen vermag und dabei die wirksamen Kausalfaktoren zutreffend identifiziert. An diesen Ma�st�ben gemessen war die Oxidationstheorie der alten Lehre weit �berlegen.
Lavoisier zeichnete sich durch herausragende Innovationskraft aus, die sich in neuartigen, fruchtbaren Deutungen der von anderen Wissenschaftlern gewonnenen Ergebnisse niederschlug, aber auch in der Konzeption aussagekr�ftiger Versuche. Seine St�rke lag in der schl�ssigen theoretischen Interpretation empirischer Resultate und deren St�tzung durch virtuose Experimente und geschickte Gegenproben. Eine seiner wichtigen methodischen Neuerungen war die Ber�cksichtigung von Gewicht und Volumen der an einer Reaktion beteiligten Substanzen. Zwar war auch zuvor schon in der Chemie auf solche als physikalisch geltenden Verfahren zur�ckgegriffen worden, aber erst Lavoisier machte von ihnen systematischen Gebrauch. Die Einklang einer Erkl�rung mit den beobachteten Gewichts- und Volumenverh�ltnissen wurde zu einem wesentlichen Pr�fstein ihrer Korrektheit. Insgesamt pr�gte Lavoisier die Chemie als Theoretiker durch neue Fragestellungen, neue Begriffsbildungen und neue Erkl�rungsprinzipien. In dieser Hinsicht gleicht der Urheber der Chemischen Revolution dem Sch�pfer der klassischen Mechanik: Lavoisier ist der Newton der Chemie.
1.1.1.1.4 2. Akademiker und Steuerp�chter: Die fr�he Karriere
Pr�gend f�r Lavoisiers Lebensweg war der Eintritt ins Coll�ge Mazarin im Jahre 1754. Charakteristisch f�r diese herausragende St�tte h�herer Bildung war der Einschluss der Naturwissenschaften in den Lehrkanon. Die Lektionen in Mathematik und Experimentalphysik beeindruckten den jungen Antoine nachhaltig und verst�rkten seine Neigungen zu den empirischen Wissenschaften. Zus�tzlich besuchte Lavoisier �ffentliche Vorlesungen in der Chemie, die von Fran�ois Rouelle gehalten wurden. Rouelle war ein begnadeter Lehrer, der mit seinen ber�hmten Demonstrationen im "Jardin du roi", einer der f�hrenden Forschungseinrichtungen der Zeit, eine gro�e Zahl sp�ter bedeutender Gelehrter (darunter Diderot, d'Holbach und Rousseau) in seinen Bann zog. Auch Lavoisier wurde durch Rouelle f�r die Chemie gewonnen. Zugleich begr�ndete der auf diese Weise erfahrene Kontrast zwischen begrifflicher Klarheit und deduktivem Aufbau der Physik auf der einen Seite und konfuser Terminologie und unsystematischer Faktizit�t der Chemie auf der anderen ein Leitmotiv von Lavoisiers Schaffen, n�mlich die Chemie durch einen an der Physik orientierten methodischen Zugang zu reformieren. Durch rigoroses Messen und Wiegen sollte die Chemie den Zustand einer blo�en Tatsachensammlung hinter sich lassen; in einer quantitativ strukturierten Chemie w�rde den Befunden ihr Ort in einem Rahmenwerk theoretischer Grunds�tze zugewiesen.
1761 schrieb sich Lavoisier f�r ein Jurastudium an der Sorbonne ein. Da es kaum M�glichkeiten gab, mit den Wissenschaften sein t�gliches Brot zu verdienen, sollte das Recht die Lebensgrundlage Lavoisier sichern. Nach dem Abschlu� 1764 gelang es ihm binnen vier Jahren, den Grundstein f�r eine akademische und eine b�rgerliche Karriere zu legen. 1768 n�mlich wurde Lavoisier (aufgrund von Arbeiten zur Chemie und Mineralogie) in die 1660 von Ludwig XIV. gegr�ndete Acad�mie des sciences gew�hlt. Diese Mitgliedschaft war eine Position von gro�em Prestige; sie versprach Aufmerksamkeit und Einflu�. F�r den Erfolg im Brotberuf wesentlich - wenn auch letztlich fatal - war Lavoisiers Aufnahme in die Ferme g�n�rale, die Korporation der Steuerp�chter. Diese Fermiers g�n�raux trieben die k�niglichen Abgaben und Z�lle von den Untertanen ein und entsch�digten sich f�r ihre M�hen durch einen Aufschlag auf die an die Krone abzuf�hrenden Betr�ge. Im Laufe der Jahre h�ufte Lavoisier auf diese Weise ein gro�es Verm�gen an, aus dem er betr�chtliche Summen f�r die Finanzierung seiner Forschungen einsetzte. In den 1780er Jahren z�hlte sein privates Labor zu den bestausgestatteten Einrichtungen der Epoche. 1771 heiratete Lavoisier Marie Anne Paulze, die 13-j�hrige Tochter des Hauptsteuerp�chters. Obwohl dieser Ehe karrierepolitische Gr�nde zugrundelagen, wurde sie gl�cklich. Sie entwickelte sich nicht allein zu einer liebevollen Lebensgemeinschaft, sondern auch zu einer fruchtbaren wissenschaftlichen Zusammenarbeit (Beretta 1999, 8-9, 24, 29).
Die T�tigkeit in der Ferme lie� Lavoisier anfangs hinreichend Mu�e f�r seine wissenschaftlichen Aktivit�ten, und nach einigen anderen Arbeiten wandte er sich 1772 dem Themenkreis von Verbrennung und Kalzination zu. Tats�chlich hatte sich dort gerade eine neue Problemlage ergeben. Die phlogistische Erkl�rung dieser Ph�nomenee beinhaltete, da� die Asche und der Kalk jeweils leichter sollten als die Ausgangsstoffe; schlie�lich war einer der Bestandteile entwichen. F�r Asche traf dies in der Tat zu, aber einige Metallkalke waren schwerer als die zugeh�rigen Metalle. Stahl selbst hatte diese Schwierigkeit f�r die Metalle Blei, Zink und Antimon anerkannt, deren L�sung aber der zuk�nftigen Forschung �berantwortet (Partington 1962, 675). Zu Beginn des Jahres 1772 hatte Louis Bernard Guyton de Morveau (1737-1816) durch umfangreiche eigene Untersuchungen und sorgf�ltige Analyse der Resultate anderer Chemiker festgesellt, da� das Gewicht der Kalke ausnahmslos h�her war als das der Metalle (Guerlac 1961, 124-125, 131-135). Es handelte sich also um einen universellen Effekt, der nicht mehr auf Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zur�ckgef�hrt werden konnte.
Am 1. November 1772 hinterlegte Lavoisier beim Sekret�r der k�niglichen Akademie der Wissenschaften eine versiegelte Note, in welcher er eine wichtige Entdeckung anzeigte. Die Form der Hinterlegung wurde gew�hlt, um sich einerseits Priorit�tsanspr�che zu sichern und um sich andererseits mit einer m�glicherweise irrt�mlichen Behauptung nicht �ffentlich zu exponieren. Versiegelte Noten kann man widrigenfalls wieder stillschweigend zur�ckmehmen. In dieser Note hie� es: "Vor ungef�hr acht Tagen habe ich entdeckt, da� Schwefel bei der Verbrennung keineswegs Gewicht verliert, sondern im Gegenteil Gewicht gewinnt [...]; das gleiche tritt beim Phosphor auf: Diese Gewichtszunahme stammt aus einer betr�chtlichen Menge Luft, die w�hrend der Verbrennung fixiert wird und die sich mit den D�mpfen verbindet. Diese Entdeckung [...] hat mich zu der Annahme gef�hrt, da� das, was man bei der Verbrennung von Schwefel und Phosphor beobachtet, auch bei allen anderen K�rpern auftreten k�nnte, deren Gewicht also bei der Verbrennung und Kalzination zunimmt" (Lavoisier 1774, 103).
Lavoisiers Experimente �bertrugen also Guytons Resultate f�r Metallkalke auf Verbrennungsprodukte. Da Kalzination und Verbrennung auf phlogistischer Grundlage von gleicher Art waren, handelte es sich um eine naheliegende Verallgemeinerung. Aber zum ersten Mal wurden nicht allein die festen Verbrennungsr�ckst�nde in Betracht gezogen, die Asche eben, sondern auch die fl�chtigen Produkte aufgefangen und ber�cksichtigt. Auf diese Weise gelang Lavoisier die empirische Best�tigung dieser Vermutung und setzte damit einen Proze� in Gang, der binnen zweier Jahrzehnte zur Verbannung des Phlogiston aus der Chemie f�hrte.
1.1.1.1.5 3. Die Evolution der Verbrennungstheorie
Die Gewichtszunahme bei Verbrennung und Kalzination soll also aus der Bindung von Luft stammen. Damit setzt sich Lavoisier in Gegensatz zu einem weit verbreiteten Erkl�rungsansatz Robert Bolyes (1627-1691), der die Gewichtszunahme von Metallkalken auf die Bindung von Feuerteilchen zur�ckgef�hrt hatte. Diese sind fein genug, um die Wandungen geschlossener Gef��e zu durchdringen; sie treten beim Gl�hen des Metalls in dieses ein, verbinden sich mit dessen Teilchen und erh�hen auf diese Weise das Gesamtgewicht (Boyle 1772, 726-727). Lavoisier untermauert seine gegenteilige Ansicht durch Kalzinationsexperimente in verschlossenen Gef��en. Dabei wird Zinn oder Blei in eine Retorte gegeben, diese hermetisch versiegelt und dem Feuer ausgesetzt; es bildet sich der zugeh�rige Metallkalk. Nach Lavoisiers Ansicht geht dabei die in der Retorte eingeschlossene Luft eine Verbindung mit dem Metall ein. Folglich sollte das Gewicht des Metalls um den Betrag zunehmen, um den das Gewicht der Luft verringert wird, so da� das Gesamtgewicht unver�ndert bleiben sollte. Nach Boyles Auffassung sollte hingegen das eindringende Feuer das Gewicht der verschlossenen Retorte erh�hen. Lavoisier zeigt, da� unter diesen Umst�nden keine Gewichtszunahme zu beobachten ist. Vielmehr tritt diese erst bei �ffnen des Gef��es ein, wenn n�mlich die im Kalk gebundene Luft durch Zustrom von au�en ersetzt wird. Dabei ist die Gewichtszunahme der Retorte nach dem �ffnen gleich der Gewichtszunahme des Metalls durch die Kalzination, so da� die Aufnahme von Luft der einzige Grund daf�r ist, da� der Kalk schwerer ist als das zugeh�rige Metall (Lavoisier 1774/1777, 105-113, 118- 119).
Mit diesem einfachen und doch aussagekr�ftigen Experiment war es Lavoisier gelungen, die Theorie Boyles in Zweifel zu ziehen und die eigenen, entgegengesetzten Auffassungen zu best�tigen. Ein Experiment, das an solchen theoretischen Scheidewegen eine Richtung weist, hei�t bei Francis Bacon "Experimentum crucis": Zwei unterschiedliche Voraussetzungen haben gegenteilige Konsequenzen, von denen sich eine in der Erfahrung best�tigt findet, die andere aber nicht. F�r Bacon ist dann die Streitfrage entschieden (1620, � II.36). Zwar hat die wissenschaftsphilosophische Diskussion klar werden lassen, da� Bacon die Schl�ssigkeit solcher "Instanzen des Kreuzwegs" �bersch�tzte, aber signifikante Befunde stellen sie in jedem Fall bereit. Tats�chlich f�hren Beispiele wie dieses Lavoisiers F�higkeit vor Augen, Erkl�rungsalternativen zuzuspitzen und sie dem empirischen Urteil zu unterwerfen. Niemand zuvor war auf den Gedanken verfallen zu pr�fen, ob bei der Kalzination in verschlossenen Gef��en eine �nderung des Gewichts auftritt. F�r Lavoisier wird dieses Nullresultat zu einer St�tze der neuen Verbrennungstheorie.
Andererseits zeigten diese Untersuchungen zur Kalzination, ebenso wie andere zur Verbrennung, da� es nicht die Luft zur G�nze ist, die sich mit dem betreffenden Stoff verbindet. Nach Messungen von Lavoisier und anderen kommen diese Prozesse n�mlich zum Stillstand, wenn zwischen einem Sechstel und einem Viertel der verf�gbaren Luft aufgezehrt ist. Diese Feststellung bildet die Grundlage f�r das nachfolgende Forschungsprogramm Lavoisiers, f�r die Frage n�mlich, welcher Teil der Luft oder was f�r eine Art von Luft diese Verbindung eingeht. Hintergrund dieser Frage ist die neue pneumatische Chemie, die sich seit Mitte des 18. Jahrhunderts vor allem in England herausgebildet hatte. Eine Schl�sselstellung nimmt Joseph Black (1728- 1799) ein, der 1756 aus "Magnesia alba" (Magnesiumcarbonat, MgCO3) eine besondere Art von Luft freigesetzt hatte. Diese Luftart war offenbar zuvor in dem Stoff gebunden gewesen und wurde daher "fixe Luft" (fixed air) genannt; modern gesprochen handelt es sich um Kohlendioxid (CO2). Wesentlich war Blacks Auffassung, da� fixe Luft von qualitativ anderer Beschaffenheit ist als gew�hnliche Luft. Die auch zuvor schon registrierten Unterschiede zwischen Gasen waren stets auf Beimengungen anderer Stoffe zur gew�hnlichen Luft zur�ckgef�hrt worden. Blacks Entdeckung er�ffnete den neuen Forschungszweig des Studiums der Luftarten, der bald zur Darstellung weiterer Gase (wie Stickoxid oder Wasserstoff) f�hrte.
Bei der Reduktion von Metallkalken wird fixe Luft gebildet. Aber dieser Umstand stellt noch nicht au�er Zweifel, da� wirklich fixe Luft im Kalk gebunden ist. Die Reduktion verlangt n�mlich das Gl�hen mit einem Phlogistonspender wie Holzkohle (s.o. 1), so da� die freigesetzte fixe Luft auch eine Verbindung des gesuchten Gases mit einem Bestandteil der Holzkohle sein k�nnte. Daf�r sprach, da� fixe Luft die Verbrennung nicht unterh�lt (was schlecht zu der Auffassung pa�t, diese werde bei Verbrennung und Kalzination gebunden). Statt dessen favorisierte Lavoisier zun�chst die These, bei der Verbrennung und Kalzination werde gew�hnliche Luft gebunden. Allerdings pa�te dazu nicht die bemerkenswerte Entdeckung des Pariser Apothekers Pierre Bayen im Februar 1774, da� das "rote Pr�zipitat" oder der rote Quecksilberkalk (Quecksilberoxid, HgO) auch durch blo�es Erhitzen und damit ohne Holzkohle zu metallischem Quecksilber reduziert werden kann. Hier fehlt entsprechend der st�rende Einfluss eines zus�tzlichen Materials, so da� sich die Beschaffenheit des gebundenen Gases direkt ermitteln lassen sollte. Bayens Resultat war, da� es sich um fixe Luft handelte (Conant 1950, 18; Str�ker 1982, 227). Aus dieser verwirrenden Situation f�hrte erst Priestleys Entdeckung des Sauerstoffs heraus.
Joseph Priestley (1733-1804) war der Ausbildung nach Theologe und als Prediger f�r unterschiedliche freikirchliche Gemeinden t�tig. Daneben f�hlte er sich zu verschiedenen Zweigen der Naturlehre hingezogen und konnte dieser Neigung aufgrund von Zuwendungen durch Josiah Wegwood, der im Keramikgesch�ft zu Wohlstand gelangt war, tats�chlich nachgehen. Priestleys wissenschaftlicher Stil war demjenigen Lavoisier gerade entgegengesetzt. Lagen Lavoisiers St�rken bei der theoretischen Interpretation, so war Priestleys Werk durch das rastlose Sammeln von Befunden gekennzeichnet. Von einem Baconschen Verst�ndnis der wissenschaftlichen Methode gepr�gt, strebte Priestley danach, vorurteilsfrei registrierte Tatsachen in gro�er Zahl anzuh�ufen. Die empirischen Verdienste, die sich Priestley dabei unzweifelhaft erwarb, gingen mit einer theoretischen Schw�che einher, die ihn schnell wechselnde und oft genug widerspr�chliche Ansichten vertreten lie�. Eine Invariante allerdings blieb f�r sein Denken charakteristisch: er verteidigte das Phlogiston bis zum bitteren Ende.
Jedenfalls wandte sich Priestley 1770 der neuen Chemie der Gase zu und befa�te sich im Sommer 1774 mit Bayens Entdeckung. Dabei stellte Priestley schnell fest, da� es sich bei dem freigesetzten Gas keineswegs um Kohlendioxid handelte; statt dessen identifizierte er es als Lachgas (Distickstoffoxid). Im Oktober 1774 reist Priestley nach Paris, trifft dort unter anderem Lavoisier und berichtet ihm von diesen Ergebnissen. Anscheinend unter dem Einfluss dieses Berichts beginnt Lavoisier im November dieses Jahres ebenfalls Experimente mit dem roten Pr�zipitat. Unabh�ngig voneinander korrigieren beide Priestleys fr�here Resultate und gelangen �bereinstimmend zu dem Schlu�, das freigesetzte Gas sei gew�hnliche Luft. Der Grund f�r dieses Fehlurteil bestand darin, da� sich beide unabh�ngig voneinander durch eine bestimmte Indikatorreaktion in die Irre f�hren lie�en (Conant 1950, 18-20). Im M�rz 1775 stellt Priestley seinen Irrtum fest. Er bemerkt, da� sich die Eigenschaften der vom roten Pr�zipitat abgegebenen Substanz deutlich von gew�hnlicher Luft unterscheiden: eine Kerze brennt mit besonders heller Flamme, und Tiere k�nnen in einem gegebenen Volumen des Gases erheblich l�nger atmen. Damit gab Priestley eine Methode an, mit der man das Gas rein darstellen konnte und identifizierte es als eine spezifische Luftart. Der Sauerstoff war entdeckt.
Allerdings unterschied sich Priestleys Auffassung von seiner Entdeckung wesentlich von Lavoisiers sp�terer Sicht. Dabei ist zu beachten, auf welche Weise die Phlogistontheorie der Tatsache Rechnung trug, da� Verbrennung und Kalzination in verschlossenen Gef��en nach einiger Zeit zum Stillstand kommen. Die zunehmende Ansammlung von Phlogiston �ber dem betreffenden Stoff sollte n�mlich den weiteren Austritt von Phlogiston blockieren. Die Rolle der Luft bei der Verbrennung und Kalzination bestand entsprechend darin, das austretende Phlogiston wegzuf�hren. Laufen diese Prozesse aber in verschlossenen Gef��en ab, so wird die Luft mit Phlogiston �bers�ttigt und kann die ihr zugedachte Rolle nicht mehr �bernehmen. Priestleys neues Gas unterhielt die Verbrennung besser und l�nger als gew�hnliche Luft und war daher in h�herem Ma�e als diese f�hig, Phlogiston aufzunehmen. Das bedeutete aber nichts anderes, als da� sie zuvor weniger Phlogiston enthielt. Im Selbstverst�ndnis hatte Priestley also dephlogistizierte Luft entdeckt (Conant 1950, 46; Str�ker 1982, 209).
Lavoisier hielt dagegen zun�chst an dem Irrtum fest, das betreffende Gas sei gew�hnliche Luft. In der ersten Fassung des sog. Oster- Memorandums vom April 1775 kam Lavoisier zu dem Schlu�, da� das Gas, das bei Erhitzen aus dem roten Pr�zipitat entweicht, "die Luft selbst ist, ganz, ohne �nderung, ohne Zerlegung", wenn auch "noch reiner" als die atmosph�rische Luft (Lavoisier, in: Conant 1950, 23). Im November 1775 wies Priestley Lavoisier darauf hin, das fragliche Gas sei tats�chlich von gew�hnlicher Luft verschieden; es handele sich vielmehr um eine spezifische Luftart, eben dephlogistizierte Luft (Conant 1950, 32-33). Ab dem Fr�hjahr 1776 �bernahm Lavoisier wieder die F�hrung und gewann zunehmend Klarheit �ber die wahre Beschaffenheit von Priestleys Luftart. Lavoisier fa�te nun Luft als Zusammensetzung zweier qualitativ verschiedener Gase auf, der "reinen Luft" (air pur) oder "Lebensluft" (air vital) und der "sch�dlichen Luft" (air m�phitique) oder dem "Stickstoff" (azote). Priestley hingegen akzeptierte niemals, da� seine dephlogistizierte Luft eine einfache Substanz und Bestandteil der Atmosph�re ist.
In der 1778 ver�ffentlichten korrigierten Fassung des Oster- Memorandums hat Lavoisiers neue Theorie feste Gestalt angenommen. Die Kalzination beinhaltet die Verbindung des Metalls mit der reinen Luft der Atmosph�re. Wird ein Kalk mit Holzkohle reduziert, so verbindet sich die freigesetzte reine Luft mit der Holzkohle zu fixer Luft (Lavoisier 1775/1778, 127-128). Gleiches gilt sinngem�� auch f�r die Verbrennung; die Kalzination ist nichts als eine langsame Verbrennung (Lavoisier 1789, 65). Ebenso beinhaltet die Atmung eine Verbindung mit reiner Luft; Atmung ist von chemisch gleicher Art wie Verbrennung und Kalzination.
1.1.1.1.6 4. Die Erweiterung: Aggregatzust�nde und S�uren
Die Vorstellung der Bindung eines Gases bei der Kalzination sah sich dem Einwand ausgesetzt, es sei schlechterdings ausgeschlossen, eine expansive Substanz auf den kleinen Raum einer Metallprobe zusammenzupressen. Dies erfordere gewaltige Dr�cke, die bei gew�hnlichen Kalzinationsversuchen nicht vorl�ngen (Partington 1962, 607). Lavoisier gibt eine chemische Antwort auf diese physikalische Herausforderung und formuliert die erste konsequente W�rmestofftheorie. W�hrend zuvor die Annahme vorherrschte, W�rme sei innere Bewegung des betreffenden K�rpers, betrachtet Lavoisier W�rme als stoffliche Substanz. Die Anh�ufung von W�rmestoff in einem K�rper ist die physikalische Basis der W�rmeempfindung.3 Aufgrund ihrer stofflichen Beschaffenheit ist die W�rme unzerst�rbar; f�r sie gilt also ein Erhaltungssatz. Die Teile oder Teilchen des W�rmestoffs sto�en einander ab. Diese Absto�ung manifestiert sich in der thermischen Ausdehnung der K�rper und f�hrt zu einem Gleichverteilungsstreben des W�rmestoffs, das sich im Ausgleich von Temperaturunterschieden niederschl�gt.
Von besonderem Belang ist der Umstand, da� W�rme als stoffliche Substanz auch mit chemischen Eigenschaften ausgestattet ist. Der W�rmestoff geht also Verbindungen ein, in denen seine Eigenschaften (wie bei anderen Stoffen auch) ver�ndert erscheinen. Insbesondere �u�ert sich gebundener W�rmestoff nicht mehr als W�rme. Dagegen beh�lt er seine expansive Kraft bei und teilt sie den Materialien mit, mit denen er eine Verbindung eingeht. Diese innere Elastizit�t tritt bei den Gasen markant zutage. Gase sind demnach chemische Verbindungen zwischen einer jeweils spezifischen Basis und W�rmestoff. Bringt man Wasser zum Kochen, so erh�ht sich die Temperatur trotz anhaltender W�rmezufuhr nicht; statt dessen bildet sich gasf�rmiger Wasserdampf. F�r die W�rmestofftheorie wird hierbei die zugef�hrte W�rme vom Wasser gebunden und bleibt aus diesem Grunde ohne Auswirkung auf die Temperatur, w�hrend zugleich die absto�enden Kr�fte innerhalb des W�rmestoffs die Teile des Dampfs auseinandertreiben. Das Wasser wird zum Gas.
Die chemische Bindung reiner Luft bei der Verbrennung und Kalzination stellt sich als Umkehrung dieses Prozesses dar. Gebundener W�rmestoff wird abgespalten, was mit einer Temperaturerh�hung verbunden ist (wie sie ja bei solchen Reaktionen typischerweise beobachtet wird). Zugleich verliert die reine Luft dadurch ihre Elastizit�t und verkleinert folglich ihren Rauminhalt ohne physikalische Kompression. Eine wichtige allgemeine Folge dieser Konzeption ist, da� im Grundsatz s�mtliche Stoffe durch W�rmezufuhr in den gasf�rmigen Zustand �berf�hrt werden k�nnen. Zuvor galten gasf�rmige Eigenschaften als Besonderheit spezifischer Stoffe; einige Materialien sind ihrer Natur nach gasf�rmig, andere nicht. Durch Lavoisiers W�rmestofftheorie wird Gasf�rmigkeit zu einem allgemeinen Materiezustand, einem Aggregazustand (Lavoisier 1789, 17-31).
Ausgangspunkt von Lavoisiers S�uretheorie sind die Beobachtungen, da� eine Zahl von Verbrennungsprodukten bei Einleitung in Wasser sauer reagieren (etwa Phosphor, Schwefel und Kohle) und da� umgekehrt S�uren reine Luft enthalten (etwa Salpeters�ure, Kohlens�ure, Schwefels�ure und Phosphors�ure). Lavoisier sieht sich dadurch zu der Vermutung berechtigt, da� Sauerstoff f�r die sauren Eigenschaften verantwortlich ist. Sauerstoff (oxyg�ne) ist das s�urebildende Prinzip (wie die Bezeichnung bis heute anzeigt). "Man sieht, da� Sauerstoff das allen [S�uren] gemeinsame Prinzip ist und da� er ihre sauren Eigenschaften ausmacht. Die S�uren unterscheiden sich dann durch die Natur der ges�uerten Substanz voneinander" (Lavoisier 1789, 57). Jede S�ure ist also die Verbindung eines besonderen Grundstoffs mit Sauerstoff.
Diese Vermutung wird durch den weiteren Befund untermauert, da� die St�rke der S�uren mit ihrem Sauerstoffanteil verkn�pft ist. Dies ist augenf�llig bei salpetriger S�ure und Salpeters�ure sowie bei schwefliger S�ure und Schwefels�ure. Die st�rkere S�ure enth�lt jeweils mehr Sauerstoff. Zugleich erkl�rt dieser Zusammenhang, da� Verbindungen mit geringem Sauerstoffanteil wie die Metallkalke nicht erkennbar sauer reagieren (Lavoisier 1777/1779, 249; Lavoisier 1789, 50-57, 61-67).
Allerdings gelang es Lavoisier trotz intensiver Bem�hungen nicht, auch in der Salzs�ure (HCl) Sauerstoff nachzuweisen. In der Sache unbeirrt f�hrte Lavoisier diesen Fehlschlag darauf zur�ck, da� die Bindung zwischen dem Grundstoff der Salzs�ure und dem Sauerstoff besonders fest ist, so da� letzterer aus der Verbindung nur schwer zu isolieren ist (Lavoisier 1789, 61). Eine interessante Verwicklung ergab sich durch eine Entdeckung des schwedischen Apothekers Carl Wilhelm Scheele (1742-1786) aus dem Jahre 1774. Scheele hatte Salzs�ure mit Braunstein reagieren lassen und ein gr�nliches, stechend riechendes Gas (Chlor, Cl2) unter gleichzeitiger Reduktion des Kalks erhalten (MnO2 + 4HCl ( 2H2O + MnCl2 + Cl2). In phlogistischem Rahmen interpretierte Scheele die Reduktion des Braunstein als Phlogistonaufnahme und identifizierte naheliegenderweise die Salzs�ure als Phlogistonquelle. Bei dem entweichenden Gas sollte es sich folglich um dephlogistizierte Salzs�ure handeln.
Lavoisier deutete generell Phlogistonabgabe in Sauerstoffaufnahme um und schlo� daher, da� die Salzs�ure Sauerstoff aus dem Braunstein freigesetzt und absorbiert hatte. Das entstandene Gas galt ihm somit als oxidierte Salzs�ure. Dann aber sollte es auch gelingen, den Sauerstoff aus dieser zu isolieren. Claude Louis Berthollet (1748- 1822) setzte daraufhin 1785 eine w�ssrige L�sung oxidierter Salzs�ure dem Sonnenlicht aus und fand, da� aus ihr Sauerstoffbl�schen entwichen, w�hrend sich die L�sung gleichzeitig in gew�hnliche Salzs�ure umwandelte (Berthollet 1785, 18-19). Berthollet sah Lavoisiers Sicht gl�nzend best�tigt: "Diese Experimente sollten alle Zweifel �ber die Natur der dephlogistizierten Salzs�ure zerstreuen; letztere wird offenbar durch Verbindung von Lebensluft mit Salzs�ure gebildet" (Berthollet 1785, 20). Tats�chlich hat hier (blaues oder ultraviolettes) Licht das Chlormolek�l in zwei Radikale aufgespalten, die mit Wasser reagieren. Es ist dessen Sauerstoff, der entweicht, nicht derjenige des Chlors (2Cl2 + 2H2O ( 4HCl + O2).
Die Schwierigkeit ist, da� oxidierte Salzs�ure nur �beraus schwache saure Eigenschaften besitzt, was Lavoisiers Ansicht zuwiderlief, die S�urest�rke steige mit dem Sauerstoffanteil. Als Reaktion kreierte Lavoisier eine besondere Oxidationsstufe, die Stufe der Sauerstoff�bers�ttigung (oxyg�n�), die mit einer geringeren S�urest�rke verbunden sein soll (Lavoisier 1789, 61-62).
Obwohl die S�uretheorie nach Lavoisiers Tod mit weiteren Mi�erfolgen zu k�mpfen hatte, etwa dem Scheitern des Bem�hens, Sauerstoff in der Blaus�ure (HCN) nachzuweisen, blieb sie zun�chst weithin akzeptiert. Ihr Ende wurde erst 1810 durch Humphry Davys (1778-1829) vergebliche Versuche zur Freisetzung von Sauerstoff aus der oxidierten Salzs�ure eingel�utet. Davy unterwarf Chlor einer Vielzahl von Reaktionen, ohne dabei jemals auf Sauerstoff zu sto�en. Insbesondere erreichte er selbst mit einem im Chlorgas auf elektrischem Wege zur Wei�glut erhitzten Kohlestab keinerlei Zerlegung. Davys Schlu� war, da� weder im Chlor noch in der Salzs�ure Sauerstoff enthalten war, was nicht allein die oxidierte Salzs�ure, sondern Lavoisiers Sauerstofftheorie der S�uren insgesamt zugrunderichtete (Partington 1964, 54-55).
1.1.1.1.7 5. Cavendishs Experimente und die zusammengesetzte Natur des Wassers
Auch an einer anderen Stelle klaffte in Lavoisiers Theorie anfangs eine Erkl�rungsl�cke. Sie enthielt n�mlich keinerlei �berzeugenden Ansatz f�r ein Verst�ndnis der Herstellung sog. brennbarer Luft (inflammable air), dem Wasserstoff (H2). Henry Cavendish (1731-1810) hatte 1766, also Jahre vor Beginn der Untersuchungen Lavoisiers, eine die Gestalt der sp�ten Phlogistontheorie pr�gende Entdeckung gemacht; er hatte n�mlich das Phlogiston in reiner Form dargestellt. In der prinzipienchemischen Tradition ist Phlogiston ein Eigenschaftstr�ger und als solcher nicht mit einem konkreten Stoff identisch; die Prinzipien sollten stoffliche Eigenschaften erkl�ren und konnten daher nicht sinnvoll selbst als Stoffe gelten (Llana 1985, 74). Aber schon bei Stahl selbst und noch st�rker bei seinen Anh�ngern im 18. Jahrhundert vermischte sich dieser Ansatz auf letztlich inkoh�rente Weise mit einer operationalen Auffassung chemischer Elemente, derzufolge sich auch die Prinzipien dem Zugriff der chemischen Analyse nicht entziehen d�rften. Die Darstellung von Phlogiston galt entsprechend zunehmend als Herausforderung der chemischen Forschung.
Cavendish gelang es, diese Herausforderung zu bestehen. Er gab die Metalle Eisen, Zink und Zinn in Salzs�ure und verd�nnte Schwefels�ure und bemerkte, da� eine spezifische, zuvor unbekannte Luftart entwich. Die bei der Gabe von Eisen in Salzs�ure ablaufende Reaktion ist, modern gesprochen, Fe + 2HCl ( FeCl2 + H2; gebildet hat sich also Wasserstoff. Cavendish stellte fest, da� das neue Gas extrem leicht und gut brennbar war und dabei ohne erkennbaren R�ckstand verbrannte.4 Von zentralem Belang war Cavendishs Feststellung, da� die Beschaffenheit der brennbaren Luft unabh�ngig von der Natur der verwendeten S�ure war. Diese f�hrte ihn zu dem Schlu�, da� das neue Gas nicht aus der S�ure stammte. Das aber lie� nur das Metall als Quelle der brennbaren Luft �brig. Und bei einem leichten, gut brennbaren und r�ckstandsfrei verbrennenden Gas aus Metallen dr�ngt sich die Hypothese nachgerade auf, da� es sich um reines Phlogiston handelt. Als Gegenprobe gab Cavendish phlogistonfreie Metallkalke in die S�uren. Unter diesen Umst�nden d�rfte keine brennbare Luft entstehen, und genau dies wurde beobachtet. Damit hatte Cavendish die f�r die sp�te Phlogistontheorie charakteristische Interpretation formuliert: Phlogiston ist identisch mit brennbarer Luft (Cavendish 1766, 78-80; Str�ker 1982, 187-192; Carrier 1992, 38-39).
Priestley schwenkte schnell auf diese Sichtweise ein und erreichte 1782 eine gl�nzende empirische Best�tigung dieser Identifikation durch den Nachweis, da� brennbare Luft Metallkalke in Metalle umzuwandeln vermochte (was zu den charakteristischen F�higkeiten des Phlogiston z�hlte, s.o. 1). Priestley erhitzte mit dem Brennglas Bleimennige (Pb3O4) in brennbarer Luft und stellte fest, da� metallisches Blei entsteht und die brennbare Luft weniger wird oder bei geeigneter Mengenanpassung vollst�ndig verschwindet. Auf phlogistischem Boden folgt sofort, da� der Bleikalk die brennbare Luft aufgenommen hat und dadurch wieder zu metallischem Blei geworden ist. Das Experiment demonstriert folglich, da� brennbare Luft ebenso wie die phlogistonreiche Holzkohle Metallkalke zu Metallen reduzieren kann und untermauert damit die Identit�t von brennbarer Luft und Phlogiston. Priestley sieht die Phlogistontheorie gl�nzend best�tigt: "Da ich sah, da� das Metall in erheblicher Menge wieder erschien und zugleich die Luft abnahm, konnte ich nicht zweifeln, da� der Kalk tats�chlich etwas aus der Luft aufnahm; und aufgrund seiner Wirkung, den Kalk in ein Metall zu umzuwandeln, konnte es sich um nichts anderes handeln als das, dem die Chemiker einhellig den Namen Phlogiston gegeben haben" (Priestley, in: Partington 1963, 268; vgl. Lavoisier 1783, 344).
W�hrend die Phlogistontheorie demnach Erfolge feierte, stand Lavoisier vor einem R�tsel. Lavoisier hielt Metalle f�r elementar, so da� diese nicht den Ursprung der brennbaren Luft bilden konnten. Damit blieb nur die S�ure als Quelle �brig, und diese Vermutung unterzog Lavoisier einer empirischen Pr�fung. Wenn die brennbare Luft aus der S�ure stammte, dann sollte deren Verbindung mit Sauerstoff (als dem s�urebildenden Prinzip) wieder eine S�ure entstehen lassen. Aber alle Versuche, aus dem Wasserstoff durch Verbrennung eine S�ure zu erzeugen, schlugen fehl (Lavoisier 1783, 336-337).
Ausgerechnet Cavendish selbst half Lavoisier aus dieser Sackgasse. Er entdeckte 1781 die Knallgasreaktion, stellte also fest, da� brennbare Luft (Wasserstoff) und dephlogistizierte Luft (Sauerstoff) zu Wasser reagieren. Bei einem Volumenverh�ltnis von 2:1 findet man die vollst�ndige Kondensation beider Gase. Eine Gewichtsver�nderung tritt nicht auf, so da� das Gewicht des entstandenen Wassers gleich dem Gewicht der Ausgangsgase ist (Cavendish 1784, 167). Da er einige weitere Aspekte des Experiments f�r kl�rungsbed�rftig hielt, verzichtete Cavendish zun�chst auf die Ver�ffentlichung seiner Resultate. Im Juni 1783 hielt sich Charles Blagden, der damalige Sekret�r der Londoner Royal Society, in Paris auf und berichtete auch Lavoisier von Cavendishs Untersuchungen. Lavoisier wandte sich umgehend diesem Problemkreis zu, reproduzierte Cavendishs Ergebnis und trat im November 1783 mit der These vor die Akademie, Wasser sei eine Verbindung. "Dieses einzige Experiment der Verbrennung der beiden Luftarten, und ihre Umwandlung in Wasser, Gewichtsteil f�r Gewichtsteil, erlauben kaum noch Zweifel daran, da� diese Substanz, die bislang als Element betrachtet wurde, ein zusammengesetzter Stoff ist" (Lavoisier 1783, 340-341). Die Verbrennung brennbarer Luft ist als Synthese von Wasser zu deuten. Nach der Luft hatte Lavoisier damit dem zweiten der bereits bei den Vorsokratikern, vor allem aber bei Aristoteles angenommenen Grundstoffe (n�mlich Erde, Wasser, Luft und Feuer) die elementare Natur bestritten.
Lavoisier wird nicht selten vorgeworfen, er habe Cavendish die Anerkennung der Entdeckung der zusammengesetzten Natur des Wassers verweigert (Partington 1963, 440-444; Str�ker 1982, 245). Richtig ist, da� Lavoisier generell die eigenen Priorit�tsanspr�che mit gro�er Hartn�ckigkeit verfocht, die Leistungen anderer hingegen weit weniger skrupul�s erw�hnte. F�r den fraglichen Fall gilt dies jedoch gerade nicht. Lavoisier erw�hnt in seiner Darstellung sowohl Cavendishs Experimente als auch den Umstand, da� er durch Blagden von diesen erfahren hatte (Lavoisier 1783, 338). Er sagt nicht, da� Cavendish aus seinen Befunden den Schlu� gezogen h�tte, Wasser sei kein Element. Aber diesen Schlu� hatte Cavendish tats�chlich auch gar nicht gezogen (was nicht selten �bersehen wird). Cavendish selbst hatte die von ihm entdeckte Reaktion keineswegs als Synthese von Wasser interpretiert, sondern als dessen Freisetzung aus den beteiligten Gasen.5 Priestley fa�t einige Jahre sp�ter Cavendishs Sichtweise dahingehend zusammen, "dass das Wasser in die Zusammensetzung aller Arten von Luft eingehe und ihre gleichsam eigentliche Basis sey" und erkl�rt, dadurch werde die Annahme der Zusammensetzung des Wassers "unn�tig" (Priestley 1788, 107). Die Absage an die elementare Natur des Wassers geht tats�chlich auf Lavoisier zur�ck.
Seine neuartige Auffassung unterwirft Lavoisier einer experimentellen Gegenprobe. Wenn in der Knallgasreaktion tats�chlich Wasser synthetisiert wird, dann sollte auch dessen Analyse gelingen. Wasser sollte also in seine Bestandteile zerlegbar sein. Dazu leitet Lavoisier Wasserdampf �ber rotg�hende Eisensp�ne und stellt fest, da� das metallische Eisen zu Eisenoxid wird (wie es in gleicher Weise bei der Kalzination von Eisen in Sauerstoff gebildet wird) und da� brennbare Luft entsteht. Die Deutung dieses Prozesses als Zerlegung des Wassers wird durch charakteristische Zusammenh�nge zwischen den betreffenden Gewichten best�tigt: Die Gewichtszunahme des Eisens und das Gewicht der erzeugten brennbaren Luft zusammen addieren sich gerade zu dem Gewicht des beteiligten Wassers (Meusnier & Lavoisier 1784, 362-364, 369).
Abbildung: Die Zerlegung des Wassers (aus: ?uvres II, Pl. III): Der Wasserdampf wird durch ein Rohr mit gl�hendem Eisen geleitet und dort in seine Bestandteile aufgespalten. Das unzerlegte Wasser wird im Kondensator gesammelt, der freigesetzte Wasserstoff im Beh�ltnis aufgefangen.
Das Experiment ist entsprechend so zu deuten, da� das Wasser durch die chemische Einwirkung von Eisen in seine Bestandteile zerlegt wird. Brennbare Luft ist daher richtiger als "Wasserstoff" zu bezeichnen, als hydrog�ne, als wasserbildende Substanz (Lavoisier 1789, 68-77). Die unterstellte Reaktion hat also die Gestalt:
Eisen + (Sauerstoff + Wasserstoff) ( (Eisen + Sauerstoff) + Wasserstoff
Wasser Eisenoxid
Dies erlaubt endlich die Erkl�rung von Cavendishs urspr�nglichen Experimenten zur Erzeugung von Wasserstoff aus Metallen. Lavoisier nimmt nun an, da� der Wasserstoff durch Zerlegung des Wassers gebildet wird. Die Idee ist, da� das Metall durch Einwirkung der S�ure oxidiert und da� der daf�r erforderliche Sauerstoff aus der Spaltung des Wassers stammt. Es ist der dabei freigesetzte Wasserstoff, der entweicht (Lavoisier 1783, 342-343). Cavendishs Experimente gelten Lavoisier damit als weiterer Beispielfall f�r die angegebene Reaktionsgleichung. Diese Hypothese erkl�rt zugleich, warum bei der L�sung eines Metalloxids kein Wasserstoff entsteht: da die Wasserzerlegung zur Oxidation des Metalls dient, tritt sie bei Metalloxiden nicht auf. Ebenso werden Priestleys Experimente zur Reduktion von Metallkalken in Wasserstoff erkl�rbar. Priestley hatte angenommen, da� der Kalk Wasserstoff aufnimmt. Lavoisier setzt dem die Deutung entgegen, der Kalk gebe Sauerstoff ab, und dieser verbinde sich mit dem Wasserstoff zu Wasser. F�r Lavoisier ist somit "klar, da� Monsieur Priestley Wasser hergestellt hat, ohne es zu ahnen." (Lavoisier 1783, 345).
Allerdings konnte Lavoisiers Resultaten auch im Rahmen der sp�ten Phlogistontheorie Rechnung getragen werden. Angenommen wird, da� Wasserstoff mit Phlogiston identisch ist, so da� der in Lavoisiers Experiment freigesetzte Wasserstoff aus dem Metall stammen mu�. Weiterhin tritt in diesem Experiment mehr Wasserdampf in die Apparatur ein als aus, so da� an irgendeiner Stelle Wasser aufgenommen worden sein mu�. Die einzige plausible Option ist die Absorption von Wasser durch das Eisen. Dies legt insgesamt nahe, da� der Wasserdampf in das Metall eintritt und dort das Entweichen von Phlogiston (also Wasserstoff) verursacht. Dadurch wiederum wird das Metall zum Kalk (Partington 1963, 270). Dieser Ansatz reproduziert �berdies Lavoisiers Gewichtsresultate. Das Gewicht des Metalls ist n�mlich durch diesen Proze� um das Gewicht des Wassers vermehrt und um das Gewicht des Wasserstoffs vermindert worden, w�hrend es bei Lavoisier um das Gewicht des Sauerstoffs vermehrt ist. Beides l�uft offenbar auf dasselbe hinaus.
Eine Schwierigkeit blieb in Lavoisiers Ansatz ohne �berzeugende L�sung. Das Oxid des Wasserstoffs h�tte n�mlich (wie erw�hnt) eine S�ure sein sollen, und dies trifft offenbar nicht zu. Lavoisier behilft sich, indem er Wasser als niedrige Oxidationsstufe des Wasserstoffs einsch�tzt, wie sie auch bei den Metallkalken vorliegt und in der keine sauren Eigenschaften ausgepr�gt sind (Lavoisier 1789, 143; s.o. Abs. 4). Allerdings hatte Lavoisier selbst den Sauerstoffanteil im Wasser zu 85% bestimmt (Lavoisier 1789, 76), so da� die Zuordnung zu einer niedrigen Oxidationsstufe wenig plausibel schien. Die phlogistischen Widersacher verga�en selten, auf diese Schwierigkeit zu verweisen(Gren 1792, 205-212; Richter 1793, 213).
1.1.1.1.8 6. Die Chemische Revolution
Die Chemische Revolution umfa�t die Ersetzung der Phlogistontheorie durch Lavoisiers Oxidationstheorie. Lavoisier hatte zun�chst zwei Anomalien oder Gegenbeispiele f�r die Phlogistontheorie aufgewiesen, n�mlich die Gewichtszunahme bei Kalzination und Verbrennung und die Reduktion von rotem Quecksilberkalk mit dem Brennglas, also ohne erkennbare Phlogistonquelle. Beide Schwierigkeiten betrafen sowohl die traditionelle, Stahlsche Variante der Theorie, in der Phlogiston als "irdisches Prinzip" eingef�hrt worden war (s.o. 1), als auch die von Cavendish konzipierte Fassung, in deren Rahmen Phlogiston mit Wasserstoff identifiziert wurde (s.o. 5). Phlogiston sollte danach Gewicht besitzen und seine Freisetzung folglich den betreffenden Stoff leichter werden lassen. Und die Erzeugung von Quecksilber aus seinem roten Kalk sollte nicht ohne Einsatz von Holzkohle oder Zusatz von Wasserstoff gelingen. Beide Tatsachen waren mit den phlogistischen Grunds�tzen unvertr�glich.
In seinen "�berlegungen zum Phlogiston" (1783) griff Lavoisier die Theorie erstmals frontal an und brachte einen weiteren anomalen Befund gegen sie zum Tragen. Nach phlogistischer Ansicht sollte das aus dem betreffenden K�rper entweichende Phlogiston von der Luft aufgenommen werden und diese phlogistizieren. Kommt die Kalzination also in einem verschlossenen Gef�� nach einiger Zeit zum Stillstand, so hat sich phlogistizierte Luft gebildet, deren Phlogiston�bers�ttigung den Austritt weiteren Phlogistons blockiert (s.o. 3). Bei einer Kalzination in dephlogistizierter Luft ist die Aufnahmef�higkeit f�r freigesetztes Phlogiston erh�ht, so da� der Proze� �ber l�ngere Zeit anh�lt; am Ende sollte jedoch wieder phlogistizierte Luft entstanden sein. Aus Lavoisiers Perspektive hingegen ist die sog. phlogistizierte Luft tats�chlich Stickstoff, ein Bestandteil der Atmosph�re, der bei Oxidationsprozessen keine Rolle spielt. Bei der Oxidation in reinem Sauerstoff sollte demnach keineswegs Stickstoff entstehen. Lavoisier berichtet von Experimenten zur Kalzination von Quecksilber in reinem Sauerstoff, bei denen s�mtliches Gas "bis zum letzten Tropfen absorbiert" wurde. �berdies ist bei einer vorzeitigen Unterbrechung der Kalzination das verbleibende Gas unver�ndert Sauerstoff. Folglich ist hier kein Phlogiston ausgetreten; zumindest hat es keinerlei chemisch fa�bare Wirkungen (Lavoisier 1777/1783, 636-637).
Im Zentrum von Lavoisiers Angriff in den "�berlegungen" stehen jedoch nicht diese beiden herk�mmlichen Varianten der Phlogistontheorie, sondern eine 1779 von Pierre Joseph Macquer (1718-1784) formulierte Fassung (deren Grundgedanke auf Priestley zur�ckgeht). Der Grund f�r Lavoisiers Aufmerksamkeit besteht darin, da� diese Fassung den drei genannten Gegenbeispielen ohne weiteres Rechnung zu tragen vermag. Nach Macquer ist Phlogiston der reine Lichtstoff und als solcher in der Lage, Gef��w�nde zu durchdringen. Zweitens wird anerkannt, da� bei der Verbrennung und Kalzination Sauerstoff gebunden wird. Es soll aber dieser Proze� der Sauerstoffbindung sein, der Phlogiston freisetzt. Schlie�lich demonstriert das Leuchten von Flammen zweifelsfrei, da� bei der Sauerstoffbindung Licht entsteht. In diesem Rahmen ergibt sich die Gewichtszunahme gerade wie bei Lavoisier durch die Aufnahme von Sauerstoff, bei der Reduktion von rotem Quecksilberkalk mit dem Brennglas stellt das konzentriert einfallende Licht das erforderliche Phlogiston bereit, und bei der Kalzination in reinem Sauerstoff entweicht das freigesetzte Phlogiston durch die W�nde des Gef��es. Lavoisiers drei Anomalien sind phlogistisch aufgel�st.
In seiner Erwiderung weist Lavoisier darauf hin, da� nur eine kleine Zahl von Kalken ausschlie�lich durch Licht reduzierbar ist, w�hrend die �berzahl eine greifbare Phlogistonquelle, etwa Holzkohle, ben�tigt. Dieser Befund ist schwer mit Behauptung in Einklang zu bringen, Licht sei reines Phlogiston, da dann das Brennglas die Phlogistonversorgung optimal sicherstellen sollte (Lavoisier 1777/1783, 637). �ber solche Hinweise auf empirische Schwierigkeiten einzelner phlogistischer Versionen hinaus r�ckt Lavoisier aber die Versionenvielfalt in den Mittelpunkt und betont die gegens�tzlichen Eigenschaften, die dem Phlogiston auf diese Weise zugeschrieben werden. Zuweilen durchdringt er Gef��w�nde, zuweilen nicht; manchmal ist er im Licht enthalten, manchmal in der Holzkohle. Indem die Theorie solche Widerspr�che in Kauf nimmt, pa�t sie sich an unterschiedliche Problemlagen an. Das Phlogiston "ist ein wirklicher Proteus, der jeden Augenblick seine Gestalt wechselt."6
Tats�chlich hatte die Wucht von Lavoisiers Angriff die Kreativit�t der Phlogistiker in starkem Ma�e angeregt und eine fast un�bersehbare Variantenvielfalt hervorgebracht. In ihrer Sp�tphase zerfiel die Phlogistontheorie in eine Unzahl disparater Erkl�rungsans�tze, jeweils um bestimmte Ph�nomene herum entworfen und mit anderen unvertr�glich. Zum Beispiel erkl�rte Priestley die Kalzination von Eisen bei Lavoisiers angeblicher Wasserzerlegung durch die Bindung von Wasser (s.o. 5), w�hrend Macquer Kalzination stets auf die Bindung von Sauerstoff zur�ckf�hrte. Eine der in der Agonie entworfenen phlogistischen Konzeptionen sah in der Tat auch ein negatives Gewicht f�r das Phlogiston vor, so da� sein Entweichen eine Gewichtszunahme zur Folge haben sollte. Allerdings handelte es sich dabei um eine blo� randst�ndige Ansicht, der bei weitem nicht die Bedeutsamkeit zukam, die ihr im nachhinein gelegentlich zugeschrieben wird. Weit nachteiliger als die Unplausibilit�t dieser oder jener Fassung der Theorie war ihre Aufspaltung in eine gro�e Zahl gegens�tzlicher Doktrinen. Jeremias Benjamin Richter (1762-1807), selbst von phlogistischer Gesinnung und dabei �hnlicher Ansicht wie Macquer, erkennt diesen Klagepunkt an. Fatal ist n�mlich, da� sich die Verteidiger des Phlogiston "nicht einig w�ren, was das Phlogiston sey, indem es der eine f�r Lichtmaterie, ein anderer f�r brennbare Luft, ein dritter f�r die Verbindung der Feuermaterie mit einer Erde, der eine f�r schwer, der andere f�r nicht schwer, wiederum ein dritter f�r negativ schwer halte." (Richter 1793, 203)
Diese krebsartige Wucherung von Versionen trug wesentlich zum Ableben des Phlogiston bei. Schon in den "�berlegungen" hatte Lavoisier dieses Leitmotiv angeschlagen: Durch ihre Zersplitterung wird die Theorie vage und widerspr�chlich und bringt es letztlich zu keinerlei �berzeugenden Erkl�rungsleistungen mehr. Die Oxidationstheorie soll die Chemie auf den Weg der begrifflichen und argumentativen Strenge zur�ckf�hren (Lavoisier 1777/1783, 640). Tats�chlich ist Lavoisier bei diesem Unternehmen erfolgreich. Nach 1785 schwenkt die franz�sische Chemie auf Lavoisiers Linie ein, ab 1790 die englische und ab 1795 auch die deutsche. Nur Priestley bleibt hart und verfa�t bis zu seinem Tode 1804 immer wieder neue Traktate zur Widerlegung Lavoisiers und zum Beweis des Phlogiston.
Tats�chlich beinhaltete die Aufgabe der Phlogistontheorie einen tiefgreifenden Wandlungsproze�, der eine Umorientierung der Chemie nach Erscheinungsbild und Methode umfa�te. Lavoisiers Theorie stellte einen einheitlicheren Ansatz dar, der weniger Raum f�r Beliebigkeit bot und die chemischen Befunde enger an die Grunds�tze anband. Den oftmals willk�rlichen Anpassungen der Phlogistontheorie setzte Lavoisier einen strengeren Interpretationsrahmen entgegen.
Zudem verschob Lavoisier den Fokus chemischer Erkl�rungen. Durch ihn wurden die Gewichts- und Volumenverh�ltnisse bei Reaktionen zum Pr�fstein f�r theoretische Ans�tze; vordem hatten diese Gr��en als Teil der Physik gegolten und waren als f�r die Chemie belanglos eingestuft worden. Komplement�r traten bei Lavoisier Eigenschaften wie Festigkeit oder Metallizit�t in den Hintergrund, zu deren Erkl�rung die Prinzipienchemie eingef�hrt worden war. Zwar blieben Residuen der traditionellen Denkweise erhalten: Sauerstoff ist das Prinzip der S�uren (Lavoisier 1777/1779, 259; 1789, 57), W�rmestoff der Ursprung der Elastizit�t oder Fl�chtigkeit (und damit dem alten Quecksilberprinzip �hnlich (s.o. 4)). Aber abgesehen von diesen R�ckst�nden wurden die Prinzipien aus der Chemie verbannt. Insbesondere galten Lavoisier die Metalle als elementar; die Gemeinsamkeit ihrer Eigenschaften wird nicht mehr durch den gemeinsamen Bestandteil Phlogiston erkl�rt. Mit der Aufgabe der S�uretheorie zwei Jahrzehnte nach Lavoisiers Tod verschwanden auch diese prinzipienchemischen Reste. Der Wirkung nach beseitigte die Chemische Revolution die Prinzipien aus der Chemie.
Mit dieser Abwendung ist die Annahme eines st�rker operational gepr�gten Elementbegriffs verbunden, demzufolge die Endpunkte der chemischen Analyse das Elementare bestimmen. Was nicht weiter zerlegt werden kann, ist elementar (Lavoisier 1789, 7). In der Prinzipienchemie wurde diese Forderung der isolierten Darstellung der Elemente dagegen abgewiesen (s.o. 5). Allerdings ist die von Lavoisier in dieser Frage herbeigef�hrte Wendung wenig markant. Eher schreibt er einen s�kularen Trend fort. Schon vor Lavoisier bekennen sich Phlogistiker ganz explizit zu einem operationalen Elementbegriff (etwa Macquer 1767, 71); umgekehrt h�lt Lavoisier Chlor, die oxidierte Salzs�ure, trotz aller gescheiterter Zerlegungsversuche keineswegs f�r elementar (s.o. 4).
Trotz aller Kontinuit�t in dieser oder jener Hinsicht, insgesamt beinhaltet die Chemische Revolution einen ausgepr�gten wissenschaftshistorischen Bruch. Bei Lavoisier ist die Theoriebildung systematischer, durchsichtiger und auch in den Einzelheiten besser durch Erfahrung gest�tzt. Die Erkl�rungen verlieren an Beliebigkeit und gewinnen theoretische Strenge. Durch Lavoisier wird die Chemie aus einer locker verbundenen Kollektion von Tatsachen in eine rationale Wissenschaft transformiert.
Teil dieser Umorientierung ist die Terminologiereform, die Lavoisier 1787 initiierte. Ziel war es, die verwirrenden Trivialnamen der Tradition oder die irref�hrenden phlogistischen Bezeichnungen durch klare Begriffe zu ersetzen, die die Beschaffenheit der Stoffe vor Augen f�hrten. Einfache Stoffe wurden durch einfache Namen bezeichnet, komplexe Stoffe durch Namen, die deren Zusammensetzung deutlich macht (Lavoisier 1789, 8). So sollten Lavoisiers vier Oxidationsstufen oxyde, -eux (wie acide sulfureux, schweflige S�ure),
-ique (wie acide sulfurique, Schwefels�ure) und oxyg�n� den Anstieg des Sauerstoffgehalts erkennen lassen. Diese Idee, in der Bezeichnung eines Stoffs seine Zusammensetzung zum Ausdruck zu bringen, ist bis zum heutigen Tag bewahrt und schl�gt sich in Bezeichnungen wie Kohlendioxid oder Distickstoffoxid nieder. In diesem Bem�hen, die Verworrenheit des Hergebrachten durch die Durchsichtigkeit einer vern�nftigen Neuordnung zu ersetzen, gliedert Lavoisier die Chemie in die Aufkl�rung ein. Durch Lavoisier wird die Chemie zu einer Disziplin nach dem Ma� der Epoche.
1.1.1.1.9 7. Gesellschaftlicher Aufstieg und Fall
Lavoisier war ein rastloser Geist. Den Morgen und den Abend eines jeden Tages widmete er der Wissenschaft, unterst�tzt von seiner Frau, die etwa die Experimente protokollierte oder �bersetzungen fremdsprachiger Arbeiten (insbesondere aus dem Englischen) f�r ihren wenig sprachgewandten Ehemann anfertigte. Den Tag �ber trieb Lavoisier seine b�rgerlichen Karriere voran. Er reinvestierte konsequent seine Gewinne in die Ferme g�n�rale und stieg dadurch in der Organisation der Steuerp�chter best�ndig weiter auf. Lavoisiers ausgepr�gter Gesch�ftssinn dr�ckte sich unter anderem in der Errichtung der Pariser Mauer aus. Auf seine Veranlassung hin wurde Paris zum Zweck der effizienteren Eintreibung von Geb�hren mit einer Mauer umgeben. Die Fermiers g�n�raux waren unter anderem dazu berechtigt, Zoll auf den Transport von Waren zu erheben und verloren durch Schmuggel erhebliche Summen. Lavoisiers tatkr�ftig ans Werk gesetztes Unternehmen Stadtmauer sollte den Schmugglern das Handwerk legen und den Gewinn der Steuerp�chter mehren. Es nimmt nicht wunder, da� diese fiskalische Ma�nahme der Reputation Lavoisiers bei der Pariser Bev�lkerung nicht eben f�rderlich war.
W�hrend Lavoisier damit einerseits Bestandteil des Ancien r�gime war, teilte er andererseits die Ideale und Ziele der Aufkl�rung. Lavoisier war stellvertretender Abgeordneter des Dritten Standes in der 1787 einberufenen Versammlung der Generalst�nde und setzte sich 1788, also noch vor der Revolution, f�r die Abschaffung der Steuerprivilegien von Adel und Klerus ein. Die Besteuerung sollte einheitlich nach wirtschaftlicher Leistungskraft erfolgen. Obwohl dies bei seiner hohen gesellschaftlichen Stellung nicht ohne weiteres zu erwarten war, z�hlte Lavoisier zu den 1789ern, also den Anh�ngern der vom liberalen B�rgertum getragenen ersten Phase der Franz�sischen Revolution.
Lavoisier war von starkem Geltungsbed�rfnis getrieben. In wissenschaftlicher Hinsicht dokumentiert sich dieser Charakterzug in der wiederholten Betonung der eigenen Leistungen und in der eher nachl�ssigen Anerkennung der Beitr�ge anderer. In gesellschaftlicher Hinsicht dr�ckt sich der gleiche Zug darin aus, da� Lavoisier �mter an sich zog und sie alle mit Energie und Tatkraft ausf�llte. 1775 �bernahm er die Leitung der staatlichen Pulververwaltung und steigerte die franz�sische Produktion von Schie�pulver nach Quantit�t und Qualit�t betr�chtlich. Lavoisiers T�tigkeit in der R�gie des poudres gilt als gelungene Verkn�pfung von wissenschaftlichem Sachverstand und organisatorischer Innovationskraft (Beretta 1999, 47).
In den 1780er Jahren wirkte der mittlerweile ber�hmte Wissenschaftler als Mitglied oder Vorsitzender in diversen k�niglichen Kommissionen mit. Dabei widmete er sich unter anderem der Verbesserung der zum Teil menschenunw�rdigen Verh�ltnisse in Krankenh�usern und Gef�ngnissen. Zentrales Anliegen Lavoisiers war dabei die Erh�hung der Luftqualit�t. Darin verbanden sich eigene Erkenntnisse �ber den Sauerstoffverbrauch bei der Atmung mit der traditionellen Miasmentheorie, derzufolge Krankheiten durch verdorbene Luft entstehen. Lavoisiers zentrale Reformempfehlung bestand stets in der Verbesserung der Bel�ftung, was aber kaum jemals umgesetzt wurde. Nach der Revolution setzte Lavoisier seine Kommissionst�tigkeit nahtlos fort. Er wurde Mitglied der nationalen Schatzkommission und wirkte an herausgehobener Stelle bei der Konzeption des durchg�ngig dezimalen Ma�systems mit, dem wir unter anderem Meter und Gramm (und damit Kilometer und Kilogramm) verdanken. Lavoisier z�hlte vor und nach der Revolution zu den Spitzen der Gesellschaft.
Diese herausgehobene Stellung lie� ihn auch dann noch an seine pers�nliche Unantastbarkeit glauben, als die Schreckensherrschaft heraufzog. Tats�chlich wurden jedoch im November 1793 s�mtliche Steuerp�chter des Ancien r�gime verhaftet - darunter auch Lavoisier. Im Mai 1794 wurden alle in einem Sammelverfahren ohne W�rdigung des Einzelfalls zum Tode verurteilt. Am 8. Mai 1794 bestieg Lavoisier das Schafott.
In der �lteren Wissenschaftsgeschichtsschreibung ist die Hinrichtung Lavoisiers mit einer wissenschaftsfeindlichen Haltung der Revolution in Verbindung gebracht worden. Bei Lavoisiers Verurteilung soll der Richter ge�u�ert haben, die Revolution brauche keine Wissenschaftler ("La r�volution n'a pas besoin de savants"). Aber dies ist keinesfalls glaubhaft. Erstens findet sich diese �u�erung nicht in den Quellen und taucht erst in sp�teren Darstellungen auf. In den Quellen ist nur summarisch von der Hinrichtung der 28 Fermiers g�n�raux die Rede. Lavoisier ist nicht als Wissenschaftler hingerichtet worden, sondern als Mitglied der verha�ten Ferme. Zweitens war die Revolution insgesamt keineswegs wissenschaftsfeindlich. Vielmehr galten wissenschaftliche Rationalit�t und Effizienz weithin als Vorbild der staatlichen Einrichtungen. Die Revolution z�hlte die Wissenschaft zu ihren Verb�ndeten, was sich nicht zuletzt darin ausdr�ckte, da� nicht wenige Wissenschaftler bedeutende politische �mter bekleideten. Lavoisiers tragisches Ende hatte nichts mit seiner wissenschaftlichen Aktivit�t zu tun, sondern mit seiner b�rgerlichen Stellung und - vor allem - mit einer au�er Kontrolle geratenen Blutjustiz. Lavoisier war eines der zahllosen unschuldigen Opfer dieses organisierten Justizmordens, das noch zwei weitere Monate durch das Land raste, bevor es auch seine Urheber hinwegfegte.
1.1.1.1.10 Literatur
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Neues Organon I-II, ed. W. Krohn, lat./dt., Hamburg: Meiner, 1990.
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�� M�moire sur la calcination de l'�tain dans les vaisseaux ferm�s et sur la cause de l'augmentation du poids qu'aquiert ce m�tal pendant cette op�ration��, in : ?uvres II, 105-121.
A.L. Lavoisier (1775/1778)
�� M�moire sur la nature du principe qui se combine avec les m�taux pendant leur calcination et qui augmente leur poids��, in�: ?uvres II, 122-128.
A.L. Lavoisier (1777/1779)
�� Consid�rations�g�n�rales sur la nature des acides et sur le principes dont ils sont compos�s��, in�: ?uvres II, 248-260.
A.L. Lavoisier (1777/1783)
�� R�flexions sur le phlogistique, pour servir de suite � la th�orie de la combustion et de la calcination��, in�: ?uvres II, 623-655.
A.L. Lavoisier (1783)
�� M�moire dans lequel on a pour objet de prouver que l'eau n'est point une substance simple, un �l�ment proprement dit, mais qu'elle est susceptible de d�composition et de recomposition��, in : ?uvres II, 334-359.
A.L. Lavoisier (1789)
Trait� �l�mentaire de chimie, in : ?uvres I, 1-438.
A.L. Lavoisier (?uvres)
?uvres de Lavoisier, I-VI, ed. J.B. Dumas & E. Grimaux, Paris�: Imprimerie imp�riale et Imprimerie nationale, 1862-1893.
J.W. Llana (1985)
"A Contribution of Natural History to the Chemical Revolution in France", Ambix 32, 71-91.
P.J. Macquer (1767)
Dictionnaire de chymie I, Yverdon.
J.B. Meusnier & A.L. Lavoisier (1784)
�� M�moire o� l'on prouve, par la d�composition de l'eau, que ce fluide n'est point une substance simple, et qu'il y a plusieurs moyens d'obtenir en grand l'air inflammable qui y entre comme principe constituant��, in�: ?uvres II, 360-373.
J.R. Partington (1962/1963/1964)
A History of Chemistry II (1962), III (1963), IV (1964), London: MacMillan.
J. Priestley (1788)
"Versuche und Beobachtungen �ber den sauren Grundstoff, die Zusammensetzung des Wassers, und das Phlogiston", Journal der Physik 1 (1791), 247-253.
J.B. Richter (1793)
�ber die neuern Gegenst�nde der Chemie. Drittes St�ck. Versuch einer Kritik des antiphlogistischen Systems, Breslau: Johann F. Korn.
E. Str�ker (1982)
Theoriewandel in der Wissenschaftsgeschichte. Chemie im 18. Jahrhundert, Frankfurt: Klostermann.
E. Thorpe (ed.) (1921)
The Scientific Papers of the Honourable Henry Cavendish, F.R.S., Vol II, Chemical and Dynamical, Cambridge: Cambridge University Press.
1.1.1.1.11 Lavoisier: wichtigste Werke
Hauptwerk:
Trait� �l�mentaire de chimie, Paris 1789. Repr. als ?uvres de Lavoisier I, Paris�: Imprimerie imp�riale, 1864.
Engl. Elements of Chemistry, trans. R. Kerr, Edinburgh 1790.
Dt. System der antiphlogistischen Chemie, trans. S.F. Hermbst�dt, Berlin: Nicolai, 1792.
B�cher:
Opuscules physiques et chymiques, Paris 1774.
M�thode de nomenclature chimique (mit L.B. Guyton de Morveau, C.L. Berthollet, A.F. Fourcroy), Paris 1787.
Werkausgaben
?uvres de Lavoisier, I-VI, ed. J.B. Dumas, E. Grimaux, Paris�: Imprimerie imp�riale et Imprimerie nationale, 1862-1893.
Correspondance, I-VI, ed. A. Michel, Acad�mie des sciences, Paris 1955-1997.
Physikalisch-chemische Schriften, I-V, ed./trans. C.E. Weigel, Greifswald 1783-1794.
Wichtige Abhandlungen:
��M�moire sur la calcination de l'�tain dans les vaisseaux ferm�s�� (1774/1777), in�: ?uvres de Lavoisier II, Paris�: Imprimerie imp�riale, 1862, 105-121.
��R�flexions sur le phlogistique � (1777/1783), in�: ?uvres de Lavoisier II, Paris�: Imprimerie imp�riale, 1862, 623-655.
��M�moire dans lequel on a pour objet de prouver que l'eau n'est point une substance simple�� (1783), in�: ?uvres de Lavoisier II, Paris�: Imprimerie imp�riale, 1862, 334-359.
Zwei Abhandlungen �ber die W�rme (mit P.S. de Laplace) (Ostwald's Klassiker der exakten Wissenschaften 40), Leipzig: Wilhelm Engelmann,
1892.
Das Wasser (Ostwald's Klassiker der exakten Wissenschaften 230), Leipzig: Akademische Verlagsgesellschaft, 1930.
[2] Allerdings entfalten die Prinzipien bei Lavoisier selbst noch eine sp�rbare Wirksamkeit (s.u. 6). Aber bei den Urhebern des Neuen finden sich in aller Regel noch Residuen des Alten. Galilei blieb lange im Bannkreis der Impetusphysik, und Darwin legte sich auf die Lamarckistische Vererbung erworbener Eigenschaften fest.
[3] Zwar hatte bereits Hermann Boerhaave (1668-1738) die Idee eines W�rmestoffs vorgetragen, jedoch dessen Bewegungen f�r die f�hlbare und me�bare W�rme verantwortlich gemacht. Lavoisier ist hier konsequenter und weist die thermische Relevanz s�mtlicher innerer Bewegungen ab.
[4] Zwar registrierte Cavendish das bei der Verbrennung von Wasserstoff entstehende Wasser, hielt dieses jedoch f�r eine Ablagerung der im Gas enthaltenen Feuchtigkeit.
[5] Cavendish 1784, 171-172. F�r eine Rekonstruktion von Cavendishs Theorie vgl. Carrier 1992, 44-50. Nach Cavendishs eigener Darstellung hat Blagden Lavoisier lediglich mitgeteilt, da� dephlogistizierte Luft tats�chlich phlogistonfreies Wasser sei (Cavendish 1784, 170).
[6] Lavoisier 1777/1783, 640. Proteus ist der Meergreis der griechischen Mythologie, der (wie das Meer) in tausenderlei Gestalt auftritt.