Ddr Oek 20030514W

From: Walter
To: "WAK" 
Subject: [ot:wak] Matthias Spiller -  Wirtschaftlich  u n t e r g e o r d e n e t e  Ware-Wert-Beziehungen
Date: Wed, 14 May 2003 14:24:16 +0200 (CEST)

Hallo Matthias,

ist es überhaupt möglich, daß das Wertgesetz nur "ein bißchen", nur mehr
oder weniger  b e n u t z t  wird, daß es nicht hinterrücks "bestimmt",
was sich abspielt, daß es nicht der Regulator der Wirtschaft ist?

Ob das  l e t z t e n d l i c h  wirklich möglich ist – solange
überhaupt auf Ware-Wert-Beziehungen noch nicht verzichtet werden kann –
das ist umstritten, und zwar wird es auch heute unter der Frage "Kann es
eine sozialistische Marktwirtschaft geben?" debattiert. 

Doch wie auch immer: Es ist jedenfalls ganz unbestreitbar, daß in den
Wirtschaften der von der SU geeinten Staatengruppe das Wertgesetz
wirklich und wahrhaftig entmachtet worden ist und nur noch als ein
zweitrangiges wirtschaftliches Leitungsinstrument (als erstrangig galten
das "ökonomische Grundgesetz" und das "Gesetz von der planmäßigen und
proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft") in der Hand der
politischen Führungen und der "zentralen Planungsorgane" angewandt
wurde.  Das geht also, zumindest für eine längere Zeit, zumindest für
bis zu siebzig Jahren, wie sich erwiesen hat.

Als das zielgebende Bewegungsgesetz der Planwirtschaft galt die
Befriedigung der ständig wachsenden Existenz- und
Entwicklungsbedürfnisse der Menschen durch eine sich dynamisch
entwickelnde Volkswirtschaft.  Als Regulator galt das "Gesetz von der
planmäßigen, proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft", das an die
Stelle des Wertgesetzes als dem Regulator getreten sei.  Es versteht
sich von selbst, daß ökonomischen Gesetze von solcher Art, so sie es
denn waren, ihre "Aufgaben" auf jeden Fall überhaupt nicht, auch nicht
im Geringsten, irgendwie "von selbst", spontan, hinterrücks und a
posteriori erfüllen konnten, sondern tatsächlich nur vermittels ihrer a
priori subjektiv gewollten, bewußten oder aber willkürlichen
Realisierung durch gesellschaftliche Instanzen.

Bei der planmäßigen, proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft
haben übrigens die DDR-Planer, d.h. die "Zentrale Planungskommission",
einiges zuwege gebracht, was mich mit Respekt erfüllte.  Ich meine die
"Volkswirtschaftlichen Verflechtungsbilanzen", die mir imponierten. Sie
beruhten auf einem relativ genauen Modell der DDR-Volkswirtschaft in
ihrer Verflochtenheit und mit allen ihren Betrieben, in allen Bereichen.
Das ermöglichte es, eine vorgesehene neue Planaufgabe – z.B. eine
bestimmte Steigerung der Möbelproduktion  innerhalb von 5 Jahren  –  in
ihren Folgen für alle Volkswirtschaftsbereiche mit ihren Betrieben
durchzubilanzieren: Was alles muß wo überall geschehen, wo überall muß
wovon mehr hergestellt werden, damit die geplante Zahl von
Wohnungseinrichtungen produziert werden kann? Das wurde stofflich, also
in Stückzahlen, Tonnen, Quadratmetern etc. errechnet und in die von oben
festgelegten Planvorgaben für die betroffenen Betriebe aufgenommen. Es
wurde errechnet für alle Hauptmaterialien und Stufenprodukte, aber nicht
bis zu den Kleinigkeiten, die sich die Betriebe selbst besorgen sollten
(woran es aber dann doch immer wieder klemmte und stockte).  

Wenn also nach dem VIII. Parteitag von 1971-1975 zunächst an die 500.000
neue Wohnungen bezugsfertig werden sollten, so konnte man sofort
festlegen, daß über das bisherigen Volumen hinaus 500.000
Kücheneinrichtungen und 500.000 Badewannen, Becken und Klos etc.
produziert werden müssen und die entsprechenden Planvorgaben an die
Industrieministerien und an die ihnen unterstellten Betriebe ausgeben.
Man konnte ferner vor allem erwarten, daß sich so ca. 350.000 bis
400.000 Familien mit ihrem Einzug – Himmel hilf! – neu einrichten
werden: Neue maßstandardisierte, mit den maßstandardisierten Wohnräumen
übereinstimmende Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmermöbel en masse waren
nötig. Das hatte nach 1971 zur Folge, daß bestehende Möbelwerke
(Zeulenroda, Hellerau usw.) erweitert und modernisiert und wohl auch
einige neue Möbelwerke errichtet wurden, wenn ich mich richtig erinnere.
Das mußte bis zu den für die neuen Werke nötigen Arbeitskräften
durchbilanziert und geplant werden: Wo sollen sie herkommen, wo könnten
welche freigestellt werden und wieviel Schulabsolventen müssen zu
Möbelbauern ausgebildet werden?  

Es wäre völlig undenkbar gewesen, daß ich z.B. angenommenerweise als
Projektleiter eines zu errichtenden VEB Möbelkombinat Berlin beim VEB
Baukombinat Berlin vorgesprochen und ihm – etwa auch noch zu seiner
großen Freude – den Auftrag gegeben hätte, mir das Möbelwerk bis 1974 zu
bauen. Die Betriebsleitung hätte sich gefragt, ob ich Idiot vielleicht
gerade aus einer Irrenanstalt entlaufen bin. Denn je nachdem, ob das
Baukombinat Berlin ein zentral geleiteter oder ein bezirksgeleiteter
Betrieb gewesen wäre, erhielt es seine Planaufgaben bis 1975 von der
zentralen Plankommission über sein Ministerium oder von der
Bezirksplankommission, und wenn es mit dem Bau meines Möbelwerks nicht
schon von oben beauflagt gewesen wäre, dann war da absolut nichts zu
machen. Ebensowenig hätte mir der Maschinenbau auf meinen Auftrag hin
die benötigte Produktionsausrüstung liefern können, wenn er nicht
bereits von der Plankommission mit der Produktion einer bestimmten Zahl
von Maschinen für die Möbelproduktion in den neuen Werken beauftragt
worden wäre. Oder, falls ich auch einige "West"-Maschinen benötigen
sollte, die im RGW-Bereich nicht produziert wurden: Nur wenn das von der
Plankommission in die Außenhandelsbilanz auf genommen und als Auftrag an
den Außenhandel ausgegeben worden ist, war das realisierbar. Und so
weiter: Holzindustrie, Verpackungsindustrie, LKW-Produktion etc., etc.

Was ich hier berichte, ist nur mehr oder minder wirklichkeitsnahe, aber
zumindest im Wesentlichsten bestimmt sachlich richtig geschildert
(obwohl ein Fachmann sicherlich noch manches korrigieren würde).

Wären mir nun die Materialien, Stufenprodukte, Maschinen, Transport-Lkw
usw. für "mein" Möbelkombinat verrechnungsfrei geliefert worden? Nein!
(Stalins Vorstellung vom ware-wert-freien PM-Tausch – s. "Ökonomische
Probleme des Sozialismus in der UdSSR" – war nach seinem Tode
zurückgewiesen worden. Und schon auf der 21. ZK-Tagung 1954 hatte dann
also auch Walter Ulbricht erstmals den Übergang zu rwirtschaftlichen
Rechnungsführung der VEB in der DDR gefordert.) Obwohl PM überhaupt
nicht frei gekauft werden konnten, hatten sie einen staatlichen
Festpreis, der zu entrichten war. Für das zu errichtende Möbelkombinat
hätte mir die Plankommission also ein Guthaben im Umfang der angenommen
Bau- und Einrichtungskosten zur Verfügung gestellt, aus dem ich alles
bezahlen konnte.  Wenn ich dann – angenommenerweise – der Leiter des
fertiggewordenen Möbelkombinats geworden wäre, so wäre ich unbedingt
zualleroberst und um jeden Preis auf die unbedingte monatliche Erfüllung
des Produktionsplanes nach Stückzahlen verpflichtet worden und im
weiteren hätte man "meinem" Betrieb dann auch noch so cirka vier oder
fünf Leistungskriterien etwa so vorgegeben: Wiss.-techn. Höchststand
(Weltmarkt-Niveau) bzw. bestmögliche Produktqualität/Produktsolidität,
Material- und Energieeinsparung, Ablösung von Arbeitskräften durch
Rationalisierung, und: Rentabilität, also Gewinnerwirtschaftung auf der
Basis der staatlich festgelegten Abgabepreise für Industrieprodukte. 

Mit der Verwendung des Werts und der Nutzung des Wertgesetzes erstrebte
man im allgemeinen volkswirtschaftliche Zeitökonomie, die Errechnung des
gesellschaftlich notwendigen Arbeitsaufwands, einen allgemein letztlich
dann doch auch an Äquivalenzen orientierten Austausch von Arbeiten und
Produkten, eine wirtschaftliche Rechnungsführung der Betriebe und die
Vergleichbarkeit der Effektivität und Leistung der Betriebe an. Wie auch
im Kapitalismus, aber nur mit Genehmigung und in abgeschwächter Form,
sollte das Wertgesetz also auf die Entwicklung der gesellschaftlichen
Arbeitsproduktivität und auf die Produktivkräfteentwicklung einwirken.
Dagegen war eine spontane Preisbildung und -bewegung nach Nachfrage und
Zufuhr nicht zugelassen.  Somit wurde auch die Konkurrenz und die
Differenzierungs- und Polarisierungsfunktion des Wertgesetzes unter den
Warenproduzenten, also die Tendenz zum Kapitalismus und folglich auch
schon von vornherein prophylaktisch die Konzentrations- und
Zentralisierungstendenz im Kapitalismus, total ausgeschaltet!

Bei Konsumtionsmitteln versuchte man erstens, die staatlich festgelegten
Löhne/Gehälter und die staatlichen Festpreise so zu korrelieren, daß die
vorgesehenen Proportionen der Verteilung unter den Arbeitenden in den
groben Maßstäben wie "von selbst" zustande kommen konnten.  Zweitens
sollte das Verhältnis von Preisen und Löhnen sowie eine von der
individuellen Leistung abhängige Lohnsteigerung den Leistungs- und
Entwicklungswillen der Arbeitenden stimulieren.  Drittens wurden Preise
für Grundnahrungsmittel, für lebenswichtige Waren wie z.B. die des
Kinderbedarfs, Medikamente, hygienische und sanitäre Artikel etc., für
die geistig-kulturelle Bedürfnisbefriedigung aller (Zeitungs- und
Zeitschriftenabos, Bücherpreise, Theater- und Konzertkarten) und für
lebenswichtige sowie frauen- und familienfördernde Dienstleistungen
(Kindergärten, Tagesschulen, Freizeiteinrichtungen, Naherholungsgebiete,
Ferienplätze, Sport, Wäschereien, Reparaturen, Wohnungsmieten etc.),
falls letztere nicht sowieso kostenlos waren, mehr oder minder weit
unter dem Wert festgelegt, also staatlich subventioniert.  Viertens
sollten die gesellschaftlichen Konsumtionsfonds, aus denen die Leute
kostenlos versorgt wurden (Gesundheitswesen, Volksbildung, Hochschulen,
Klubs und andere Kultureinrichtungen, Erholungswesen, soziale
Sicherstellung von Kindern, Alten und nicht Arbeitsfähigen) schneller
wachsen als die Fonds für die entgeltpflichtige individuelle Konsumtion,
stellte man sich jedenfalls vor. Hierzu möchte ich ergänzend auch noch
auf die VEB hinweisen, die nicht nur Produktionsstätten waren, sondern
für die Arbeitenden auch als die grundlegenden Sozialisationsstätten in
der Gesellschaft funktionieren sollten. Dafür wurden von den Betrieben
viele Finanzmittel verwendet: Betriebskulturgruppen, Chöre, Orchester,
Zirkel schreibender Arbeiter, jährliche   Betriebs-Festspiele,
Betriebs-Akademien, Betriebs-Bibliotheken, Betriebs-Kulturhäuser,
Betriebs-Ferienheime und -Kinderferienlager, Betriebs-Polikliniken,
Betriebs-Verkaufsstellen, Betriebs-Kindergärten usw.).

So also sah der vermeintliche "(Staats-)Kapitalismus" der DDR aus.

Im Real-Sozialismus war es verboten, die Autokratie des Politbüros und
die Partei- und Staatsbürokratie etwa auch damit anzugreifen, daß die
Frage nach dem Übergang zu einer vielleicht staatlich nur mit
ökonomischen Hebeln gelenkten, aber an der Basis wie "von selbst"
funktionierenden, weil wertgesetzregulierten "sozialistischen
Marktwirtschaft" gestellt wurde! Das Wertgesetz als Regulator der
Wirtschaft – das war tabu!

Aber es war erlaubt, darüber zu debattieren, ob und inwieweit die den
originären Gesetzen der Planwirtschaft  u n t e r g e o r d n e t e n
und dienstbar gemachten Wertkategorien und das Wertgesetz vielleicht
etwas mehr oder vielleicht doch lieber noch etwas weniger ausgenutzt
werden sollten. Und dazu gab es dann viele Meinungen, aus denen sich
verschiedene Lehrmeinungen über die Rolle des Wertgesetzes im
Real-Sozialismus ableiteten, die man in den verschiedenen, voneinander
abweichenden Lehrbüchern nachlesen kann.

In den sechziger Jahren bereiteten sich in der Sowjetunion einige
Ansätze zu einer Wirtschaftsreform vor, die der bewußten Anwendung des
Wertgesetzes einen größeren Spielraum öffnen und so Leistungstriebkräfte
verstärken sollte. U.a.; Libermann "Was der Gesellschaft nützt, muß auch
für den Einzelnen von Nutzen sein!" 

In der DDR führte das zum NÖSPL ("Neues  Ö k o n o m i s c he s  System
der Planung und Leitung"), also etwas mehr auch "mit ökonomischen
Hebeln" statt vorwiegend nur mit staatlicher Administration, was von
Ulbricht auch dann noch energisch fortgesetzt wurde, als Breshnew in der
SU schon wieder den Rückzug befohlen hatte. Ulbricht wollte u.a., daß
die weiterhin primären technisch-  und gebrauchswertorientierten
Leistungskriterien der Betriebe sich doch irgendwie in dem einen
Gewinn-Kriterium konzentrieren lassen sollten und daß die zentrale
Leitung und Planung begrenzt und den Betrieben eine größere
Eigenverantwortung übertragen werden sollte.

Doch sein wichtigster Partner für die Wirtschaftsreform im Politbüro,
Günter Mittag, der den Ulbricht vorher am eifrigsten unterstützt hatte,
roch rechtzeitig Lunte, sprang ab, wendete sich gegen Ulbricht, der dann
gestürzt wurde, und leitete unter E.H. genau eine rigide
Gegenentwicklung zu noch viel mehr zentraler Leitung und Planung als
zuvor ein.  Auf der 14. ZK-Tagung Anfang Dezember 1970 "formulierte"
Mittag das so: "Bestimmender Grundzug der Regelungen für 1971 ist die
Verstärkung des demokratischen Zentralismus. Das ist überhaupt der
einzige Weg (!), auf dem ein der allseitigen Stärkung der DDR dienendes
ökonomisches System gestaltet werden kann. Alle bisherigen Erfahrungen
und die Erfordernisse der Zukunft bestätigen ganz eindeutig, daß es
geradezu eine Gesetzmäßigkeit (!) ist, daß der demokratische
Zentralismus mit fortschreitender sozialistischer Entwicklung unablässig
gestärkt werden muß(!). Hier geht es um Kernfragen der Macht (!), der
führenden Rolle der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen
Partei zur allseitigen Stärkung der DDR." Das waren, Satz für Satz,
ziemlich unverhohlene und radikale Ohrfeigen für Ulbricht, der
"Kernfragen der Macht" in Gefahr gebracht hatte.

Das oberste "Bedürfnis" nämlich, auf das "das ökonomische
Bewegungsgesetz des Sozialismus" mit seiner
Bedürfnisbefriedigungszielstellung in Wahrheit politisch ausgerichtet
wurde, war das Politbüro-Bedürfnis nach unablässiger Festigung und nach
endgültiger Unstürzbarkeit seiner Macht. Und dem sollte natürlich vor
allem auch eine wirklich möglichst "ständig wachsende
Bedürfnisbefriedigung der Werktätigen" dienen. Zufriedene und
selbstzufriedene Werktätige waren sehr erwünscht.

Hier nun noch ein Auszug aus dem "Lehrbuch Politische Ökonomie des
Sozialismus", das unter der Leitung von <cite>N.A. Zagolow</cite>
verfaßt worden ist und 1970 in der SU und 1972 beim Verlag Die
Wirtschaft in der DDR erschienen ist:

"Die Beziehungen der Warenproduktion sind nicht selbständig; sie sind
vielmehr in das System der Beziehungen der planmäßig organisierten
Produktion eingeschlossen und spielen eine untergeordnete Rolle. Ihre
Stellung unterscheidet sich von der, die sie unter der Dominanz des
Systems der Warenproduktion innehatten.

…

Der Charakter der Warenbeziehungen in den einzelnen Bereichen der
sozialistischen Wirtschaft

Die Produkte in den einzelnen Sektoren der sozialistischen Produktion
sind in unterschiedlichem Grade Waren.

»Reine" Warenbeziehungen gibt es in keinem Bereich der sozialistischen
Wirtschaft, da in ihr das Prinzip der Planmäßigkeit und das ökonomische
Grundgesetz des Sozialismus dominieren. Sogar auf dem Kolchosmarkt, wo
formal eine freie Preisbildung besteht, kann man nicht von Waren im
vollgültigen Sinne sprechen. Die sich unter dem Einfluß von Angebot und
Nachfrage auf dem Kolchosmarkt vollziehende spontane Preisbewegung kann
nicht die einzige Grundlage für die Verteilung der gesellschaftlichen
Arbeit sein, denn über den Kolchosmarkt wird nur ein sehr geringfügiger
Teil der gesellschaftlichen Produktion zirkuliert, die in ihrer
überwiegenden Menge planmäßig von einem einheitlichen Zentrum aus
gesteuert wird.

Dennoch haften den auf dem Kolchosmarkt realisierten Arbeitsprodukten
die Merkmale einer Ware noch in stärkstem Maße an, da die Preise sich
dort gemäß dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage herausbilden und die
Waren ohne Einschränkungen realisiert werden. Die Veränderung von
Preisen beeinflußt innerhalb gewisser Grenzen die Höhe des
Warenangebotes, das entweder vergrößert oder verringert wird, und wirkt
sich auf die Umverteilung der gesellschaftlichen Arbeit zwischen den
einzelnen Zweigen aus.

Die Produkte, die im staatlichen und genossenschaftlichen Einzelhandel
verkauft werden, tragen in geringerem Maße Warencharakter. 

Die Preise werden vom Staat festgelegt, doch affizieren auch hier
Angebot und Nachfrage die Produktion der verkauften Waren. Wird eine
Ware über den Umfang der zahlungsfähigen Nachfrage hinaus produziert. so
kommt es zu einer Warenstauung.

Die Handelsorganisationen nehmen der Industrie die betreffenden
Erzeugnisse nicht mehr ab. Den Betrieben können infolgedessen
Absatzschwierigkeiten entstehen. Preise für Waren, die bei einer
gegebenen zahlungsfähigen Nachfrage unverkäuflich sind, können über
einen längeren Zeitraum nicht unverändert bleiben. Falls jedoch die
Preise nicht verändert werden, ist eine Einschränkung des
Produktionsvolumens bei diesen Erzeugnissen unvermeidlich.

Es ist nicht möglich, im Plan mit absoluter Genauigkeit anzugeben, wie
sich die Kaufkraft der Bevölkerung auf die einzelnen Verbrauchsgüter
verteilen wird. Ein Mitglied der sozialistischen Gesellschaft kann seine
Einkünfte für den Ankauf derjenigen Gebrauchswerte, derjenigen
Konsumgüter verwenden, die er benötigt.

Eine andersartige Situation haben wir bei den Produktionsmitteln. Der
größte Teil der Produktionsmittel wird planmäßig zwischen den Betrieben
verteilt. Der Staat legt nicht nur die Produzenten fest, sondern
bestimmt auch, wer die jeweiligen Produktionsmittel kauft. Solche
Produktionsmittel, die in großen Mengen und in den verschiedensten
Wirtschaftszweigen Verwendung finden, werden in zunehmendem Maße über
den Handel abgesetzt. Die moderne, stark spezialisierte Produktion
erfordert jedoch spezialisierte Instrumente, die in der Regel nur auf
Grund eines bestimmten Auftrages eines konkreten Bestellers hergestellt
werden. Schließlich sei daran erinnert, daß die Nachfrage nach
Produktionsmitteln mit dem aus dem einheitlichen Wirtschaftsplan
resultierenden Produktionsprogramm zusammenhängt. In den
Produktionsmittel herstellenden Zweigen ist somit der Warencharakter des
Produktes im geringsten Grade ausgeprägt.

Die Warenbeziehungen sind aber auch dort, wo sie eine sehr bedeutsame
Rolle spielen und wo das Arbeitsprodukt im stärksten Maße Warenmerkmale
aufweist, untergeordneter Natur. Die allgemeine Form und das Wesen der
sozialistischen Produktionsweise verkörpern sich in der beherrschenden
Rolle des Gesetzes der planmäßigen Entwicklung und des ökonomischen
Grundgesetzes. Diese Gesetze bestimmen die Entwicklungsrichtung des
Sozialismus, der bekanntlich die niedere Phase der kommunistischen
Produktionsweise ist. Die Entwicklung des Sozialismus vollzieht sich in
der Weise, daß er sich durch den Fortschritt der Produktivkräfte und die
Schaffung einer adäquaten materiell-technischen Basis allmählich in den
Kommunismus umwandelt, in dem es keine Ware-Geld-Beziehungen mehr geben
wird.

Das Absterben der Warenbeziehungen kann jedoch nicht Resultat eines
Verwaltungsaktes sein, sondern Ergebnis der zunehmenden Reife der
unmittelbar gesellschaftlichen Produktions- und
Distributionsverhältnisse. Solange dieser Reifegrad nicht erreicht ist,
solange Bedingungen bestehen, die Warenbeziehungen hervorbringen, sind
die Entwicklung der Ware-Geld-Beziehungen und deren bewußte Ausnutzung
ein Faktor der Entwicklung der sozialistischen Produktion."

(Seite 259/260)