Um sich als Keimform zu etablieren, müssen neue gesellschaftliche Beziehungen (einschließlich neuer Produktionsverhältniss) nicht von vornherein die Fähigkeit besitzen, die gesamte Reproduktion der menschlichen Gesellschaft sicherzustellen.
Sie müssen sich innerhalb der alten gesellschaftlichen Beziehungen (Produktionsverhältnisse) etablieren können und ihre eigene Lebensgrundlage auf diesen aufbauen können: Jede neue Organisationsform beginnt quasi parasitär aus der Sicht der alten!
Beispielsweise hat der Handel, ja sogar die Warenproduktion, lange nicht die Grundlage der Reproduktion sichergestellt. Kapitalistische Produktionsverhältnisse haben sich nicht zuerst in der Lebensmittelproduktion etabliert. Aber sie konnten sich etablieren, weil die Lebensmittelproduktion nach feudalistischen Prinzipien ihre Lebensgrundlage sichergestellt hat, weil es über verschiedene Beziehungen gelang, lebensnotwendige Ressourcen aus der alten Sphäre zu transferieren.
Die neuen Produktionsverhältnisse mußten sich also zuerst in die alten integrieren, um sich entwickeln zu können. Die Möglichkeit zur Integration entstand aus ökonomischen Notwendigkeiten, die sich innerhalb des alten Systems der Produktionsverhältnisse ergeben haben. (Dazu gehört auch die Notwendigkeit, die Herrschaft durch Prunk und Protz zu kennzeichnen, kriegsfähig zu sein usw. Ökonomische Notwendigkeiten ergeben sich aus der Gesamtheit der Beziehungen einer Gesellschaftsformation.)
Ähnlich verhält es sich mit dem Einzug der Marktwirtschaft in den ehemals "sozialistischen" Ländern (ausgenommen die DDR): die alten Verhältnisse ließen sich nicht auf einen Schlag ablösen. Marktwirtschaftliche Organisationsprinzipien hielten zuerst in den Sphären des Einzelhandels und der handwerklichen Produktion Einzug, also in Bereichen, die nicht gerade die Grundlage der gesellschaftlichen Reproduktion in den betroffenen Gesellschaften sind.